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Die Globalisierung ändert ihr Gesicht

Die Globalisierung der Zukunft setzt mehr auf Daten als auf Warenaustausch Die Globalisierung der Zukunft setzt mehr auf Daten als auf Warenaustausch
Die Globalisierung der Zukunft setzt mehr auf Daten als auf Warenaustausch
Quelle: Getty Images
Strafzölle und Mauern dominieren die weltpolitische Debatte. Die Globalisierung hat sich seit der Finanzkrise verlangsamt. Doch die Unternehmen haben neue Wege gefunden, global zu agieren. Mit spürbaren Folgen für Deutschland.

Worum geht es

Globalisierung ist out, Nationalismus kommt in Mode – nahezu überall. Handelskonflikte, Strafzölle und Grenzmauern dominieren die aktuelle geopolitische Diskussion. Die britische Wochenzeitschrift „Economist“ hat ein Dutzend Indikatoren zum Stand der Globalisierung zusammengetragen – von weltweiten Handelsverflechtungen über Aktivitäten multilateraler Unternehmen und deren grenzüberschreitenden Investitionen und Lieferketten bis hin zu Transaktionen auf internationalen Kapital- und Finanzmärkten.

Das Ergebnis der Datenanalyse zeigt, dass die Verflechtungen der Weltwirtschaft heute weniger eng sind als vor der Finanzmarktkrise Ende des letzten Jahrzehnts. Verglichen mit der Wertschöpfung insgesamt, waren 2017/2018 die Handelsströme, die Investitionen im Ausland durch Aufkäufe und Beteiligungen sowie die grenzüberschreitenden Kreditbeziehungen und Kapitaltransfers geringer als im Jahr 2007.

Als „Slowbalisation“ bezeichnet der „Economist“ das Schneckentempo, mit der sich die Globalisierung momentan bewegt. Eine zweifelsfrei zutreffende Veranschaulichung der gegenwärtigen Verlangsamung mit Blick auf die exponentielle Dynamik der Vergangenheit, die das Welthandelsvolumen zwischen 1950 und 2008 um das 33-Fache hat ansteigen lassen. Zwischen 2007 und 2017 jedoch sank der Wert des Welthandels gemessen an der gesamten Weltproduktion von 28 Prozent (2007) auf 22,5 Prozent (2017).

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Spektakulär allerdings ist, dass die Wirtschaft sehr wohl ganz pragmatische mikroökonomische Lösungen für die negativen makroökonomischen Entwicklungen zu finden scheint. Wie eine neue Studie des McKinsey Global Institute (MGI) aufdeckt, lassen sich Firmen durch die drohenden Handelskonflikte nämlich nicht wirklich ins Bockshorn jagen. Vielmehr passen sie schlicht und eigentlich nicht wirklich überraschend ihre Strategien an.

Aus der Analyse der Wertschöpfungskette verschiedener Branchen aus insgesamt 43 Ländern mit einer Abdeckung des Welthandels von 96 Prozent lassen sich ein paar ganz grundsätzliche Verhaltensänderungen der Unternehmen erkennen. So ist in der verarbeitenden Industrie die Handelsintensität gesunken, dafür aber hat der Dienstleistungsaustausch zugenommen. Die Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer entwickelt sich rückläufig, hingegen wird der firmeninterne Wissensaustausch wichtiger.

Grenzüberschreitendes Datenvolumen explodiert

Das McKinsey Global Institute schätzt, dass sich das grenzüberschreitende Datenvolumen im letzten Jahrzehnt nahezu vervierzigfacht hat. Und mit der wachsenden Bedeutung des Online-Handels hat sich die Anzahl der internationalen versandten Pakete etwa verdreifacht. Ebenso hat die internationale Mobilität von Personen und eng damit verbunden die grenzüberschreitende Migration von Arbeitskräften im letzten Jahrzehnt weiter zugenommen.

Mehr Menschen als jemals zuvor reisen ins Ausland, machen dort Urlaub oder verlassen ihre Heimat sogar für längere Zeit, um anderswo ihr Glück zu suchen. So lebten 2017 rund 260 Millionen Menschen – also rund 3,4 Prozent der Weltbevölkerung – dauerhaft im Ausland, 2005 waren es noch 190 Millionen Personen (oder rund 2,9 Prozent der Weltbevölkerung) gewesen.

Wenn nun Handelskonflikte und Zölle drohen, zerlegen Unternehmen ganz offenbar schlicht die Wertschöpfungsketten anders als bisher in deren einzelne Glieder. Vorleistungen, Zwischenprodukte und Komponenten werden nicht mehr wegen billiger Lohnkosten überall in der Welt – in kleinstmögliche Teilchen zerlegt – fabriziert, in Container verpackt hin und her über die Weltmeere verschifft und als finales Produkt „Made in Germany“ aus Deutschland exportiert.

Stattdessen werden vermehrt gleich alle Vorleistungen direkt in die Absatzländer geliefert, und vor Ort beim Kunden wird dezentral das Endprodukt produziert. Um deutsche Qualitätsstandards zu sichern, entsenden Unternehmen für das Finish eigene Fachkräfte – meist temporär und fallweise – in die Absatzländer, oder sie heuern gleich – und dann auch längerfristig – gut ausgebildete Spezialisten oder lokale Partnerfirmen aus den Absatzländern an, die besser als andere wissen, wie die dortigen Kunden ticken.

Die Globalisierung ändert ihr Profil

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In Zukunft werden Unternehmensangehörige noch einmal vermehrt weltweit verstreut sein. Sie tauschen untereinander Daten aus und zwar nicht als lokale Billigarbeiter, sondern auf Augenhöhe mit ihren deutschen Fachkollegen. Was mit den Callcentern in Indien begann, wird mit globalen Plattformen aus einer Vielzahl von Standorten für Forschung und Entwicklung, Finanzierung und Versicherung, Betrieb und Unterhalt eine Fortsetzung finden.

Es entstehen hybride Firmen, also Betriebe ohne fest abgrenzbare Strukturen bei Standorten und Personal, die mehr und mehr ihre nationalen Wurzeln verlieren und wirklich zu globalen Unternehmen mutieren, um dezentral für lokale Kunden Leistungen zu erbringen.

Die Globalisierung ist somit keinesfalls out. Sie ändert nur gerade ihr Profil – mit durchaus respektablen Folgen für Deutschland. Es kommt zu einem Stabwechsel vom globalen Handel mit Gütern zu mehr Handel mit Dienstleistungen und Daten. Bereits in der letzten Dekade zeigte der grenzüberschreitende Dienstleistungshandel keine Anzeichen eines Kriechgangs.

Im Gegenteil ist er weit schneller gewachsen als der Güterhandel. Dieser Trend wird sich verstärkt fortsetzen. Güterexporte aus Deutschland werden ersetzt durch eine stärkere Einbindung deutscher Dienstleister und Spezialisten in dezentrale Produktionsnetzwerke in aller Welt.

Für Daten steht die Globalisierung am Anfang

Weniger Container, dafür mehr Internet, weniger Verlagerung von Arbeit in Billiglohnländer, um Lohnkosten zu sparen, dafür mehr globaler Austausch von Information, Wissen und Daten. So wird es für deutsche Firmen weltweit möglich, vor Ort unterstützt von lokalen Netzwerken, Robotern und künstlicher Intelligenz für beste deutsche Qualität und größere Nutzerzufriedenheit zu sorgen.

Dass die dynamischen Wachstumsraten des Handels und der Containerschifffahrt Vergangenheit sind, heißt somit noch lange nicht, dass es mit der Globalisierung vorbei ist. Richtig ist, dass eine De-Globalisierung beim Austausch von Vorleistungen und Komponenten und eine Rückkehr zur lokalen Fertigung von Endprodukten die Gütertransporte über lange Distanzen und den weltweiten Warenhandel dämpfen dürften. Für Dienstleistungen, die oft mit Migration einhergehen, und für die Datenwirtschaft jedoch steht die Globalisierung nicht vor dem Ende. Sie steht am Anfang.

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