Zeitschrift Globalisierung Aspekte einer Welt ohne Grenzen Globalisierung: Aspekte und Dimensionen Kulturelle Globalisierung
Weltweites Regieren:
Die Globalisierung der Wirtschaft Globalisierung in der Kritik:
Heft 4/2003
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Bei der Auseinandersetzung mit der Globalisierung geht es um die aktuelle Debatte zu den zentralen Zukunftsfragen, denen sich Politik und Bildung zu stellen haben. Die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Diskussion zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird vom Begriff der Globalisierung dominiert. Dennoch vermag kaum jemand das zwar junge, aber mittlerweile fast inflationär gebrauchte Schlagwort klar zu umreißen. Der Begriff wird vor allem von Politikern gerne gebraucht - je nach Bedarf entweder als "größte Chance für die deutsche Wirtschaft" oder als "Arbeitsplatzvernichter". Jenseits dieser plakativen Zuspitzung ist die Globalisierung von tagespolitischer Brisanz und großer Bedeutung als Fächer übergreifendes Thema in den Schulen. Es ist aber auch eine Herausforderung an die politische Bildung und ihre Träger. Denn manche Frage, die auf den ersten Blick als banal erscheint, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als ausgesprochen vielschichtig: Was ist Globalisierung eigentlich? Wo ist sie - auch und gerade ganz konkret vor Ort - zu erfahren? Welche Lebensbereiche sind betroffen? Welche Vorteile bringt sie mit sich und wo liegen die möglichen Schattenseiten?
Ein nicht abgeschlossener Prozess Der Globalisierungsbegriff wird unterschiedlich verwandt. Zuallererst ist zu betonen, dass das Zusammenwachsen der Welt im Sinne einer immer leichteren und schnelleren Erreichbarkeit von Menschen, Ideen, Waren und Finanzen ein seit Jahrhunderten zu beobachtender Prozess ist. Dieser Prozess, der vorwiegend auf bahnbrechenden Innovationen in der Kommunikations- und Transporttechnologie beruht, verlief zwar nicht gleichmäßig, aber doch kontinuierlich. Die Erfindungen von Eisenbahn, Dampfschiff, Verbrennungsmotor und Düsenflugzeug auf der einen sowie Telegraf, Telefon und Telefax auf der anderen Seite haben seit dem Zeitalter der Entdeckungen und dann vor allem seit der Industrialisierung die Welt immer enger zusammenwachsen lassen. Insofern lassen sich die jüngsten Entwicklungen als Fortführung dieser langen Tradition sehen. Doch vor allem die Informationstechnologie und das über sie realisierte und rasant wachsende Internet hat den Prozess in Intensität, Qualität und Dynamik beschleunigt. Und es ist ein offener und noch nicht abgeschlossener Prozess.
Ursachenbündel Der Globalisierungsprozess beruht auf einem grundlegenden Strukturwandel, der sich anhand von fünf Punkten umreißen lässt. Jeder dieser fünf Punkte würde für sich allein genommen schon einen tief greifenden Wandel bedeuten. In ihrer Gleichzeitigkeit und ihrem Ineinandergreifen bedeuten sie aber mehr als bloß eine Periode rascher Veränderungen:
In der Summe resultieren aus diesen grundlegenden Veränderungen die entscheidenden Impulse, die dem Globalisierungsprozess zum Durchbruch verhalfen. Der beschleunigte Trend zur Globalisierung der Wirtschaft lässt sich aus ökonomischer Sicht zusammenfassen als
Globalisierung bedeutet also die Zunahme der Intensität und der Reichweite transnationaler wirtschaftlicher Austauschbeziehungen und dadurch auch die Intensivierung des Wettbewerbs durch eine Vergrößerung der Märkte bis hin zum Entstehen globaler Märkte. Der Globalisierungsprozess wurde dabei durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten gefördert und beschleunigt, vor allem aber auch durch politische Entscheidungen ermöglicht. Genannt seien hier nur die weltweit durchgesetzten Maßnahmen für Freihandel, ungehinderten grenzüberschreitenden Kapitalverkehr und die Schaffung großer und größer werdender Binnenwirtschaftsräume. Ursachen sind hier von Auswirkungen oft kaum mehr zu trennen. Eine der charakteristischen Auswirkungen der Globalisierung ist jedoch die rasche Zunahme des Welthandels. Innerhalb von 25 Jahren hat sich der Anteil des weltweiten Warenexports an der Weltgüterproduktion mehr als verdoppelt. Ähnlich ist die Entwicklung bei den weltweit gehandelten Dienstleistungen (z.B. Versicherungen und Kreditgewährung).
Auswirkungen Die in der aktuellen Debatte in Deutschland am stärksten diskutierte Auswirkung der Globalisierung ist die Frage der Standortkonkurrenz. Die Gefahren liegen auf der Hand: Bei einer verzögerten Anpassung an die neuen Bedingungen der globalen Wirtschaft ist das Abwandern von Produktionsstätten aus dem "Hochlohnland" Deutschland in weitaus billiger produzierende Länder abzusehen, ohne dass sich bisher ein adäquater Ersatz in Form neuer und innovativer Wirtschaftsbereiche entwickelt hätte. Aus der Sicht des Verbrauchers liegen darin auch Vorteile, denn zahlreiche Produkte werden dadurch günstiger. Gesamtgesellschaftlich gilt es dagegen, die Zukunft der deutschen Wirtschaft durch forschungsintensive Güterproduktion und entsprechende Dienstleistungsangebote zu gestalten. Das ist eine Herausforderung an die Menschen und ihre Ausbildung im Land - und eine Chance zugleich.
Gesellschaft und Kultur (vgl. Baustein B): Die Auswirkungen der Globalisierung auf die Gesellschaft zeigen ein ambivalentes Bild, bei dem sich (vermeintliche) Gewinner und Verlierer des Globalisierungsprozesses gegenüberstehen. Während die eine Seite darauf verweist, der Globalisierungsprozess baue Armut ab und zeige im Ergebnis eine Nivellierung der Weltgesellschaft zu Gunsten aller durch die Steigerung von Wohlstand und Wohlfahrt, betonen die Kritiker, die Globalisierung bewirke sowohl in den Industrienationen als auch in den Entwicklungsländern eine Spaltung der Gesellschaften in Gewinner und Verlierer. Die Auswirkungen der Globalisierung zeigen sich auch in der Herausbildung multikultureller Gesellschaften, vor allem in den großen Städten, den so genannten "Global Cities". Hier entstehen ganz neue Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens. Zugleich umfasst die Globalisierung die zunehmende Vereinheitlichung der Lebensstile, Werte, Essgewohnheiten, der Musik und der Mode. Mit der globalen Präsenz der vom Westen dominierten Einheitskultur ("McWorld-Kultur", "Cocacolization") droht der Verlust kultureller Traditionen. Vielerorts resultiert daraus aber auch eine Rückbesinnung auf lokale kulturelle Werte, Traditionen und Autonomien. Die Begriffe "globales Dorf" und "Glokalisierung" stehen für diesen Zusammenhang von weltweiter Perspektive und lokalem Gegenbezug.
Politik (vgl. Baustein C): Die Auswirkungen der Globalisierung auf die Politik bestehen insbesondere in der Verschiebung der Kräfteverhältnisse zugunsten der Wirtschaft. In der globalisierten Welt kommt den Staaten in immer stärkerem Maß die Aufgabe zu, durch die Schaffung investitionsgünstiger Standortbedingungen international agierende Unternehmen für Investitionen und damit für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu gewinnen. Neben diesen primär wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Globalisierung steht die Strategie des "Global Governance", d.h. die demokratisch legitimierte, sozial und umweltverträgliche Gestaltung des aktuellen Globalisierungsprozesses. Dahinter steht der pragmatische Ansatz, dass eine globalisierte Welt mit den Instrumentarien Welthandelsorganisation, Weltumweltordnung, internationale Wettbewerbsordnung, Weltsozialordnung, Weltwährungs- und Finanzordnung sowie einer Weltfriedensordnung regiert werden kann.
Ökonomie (vgl. Baustein D): Die Vielschichtigkeit des Globalisierungsprozesses verbietet es geradezu, ihn auf die ökonomische Sicht zu verengen, auch wenn die Globalisierung der Wirtschaft als treibende Kraft des Gesamtprozesses im Vordergrund steht und die Lebensverhältnisse von Menschen in allen Teilen der Welt prägt. Die Auswirkungen der Globalisierung finden auf verschiedenen Ebenen zeitgleich, jedoch in unterschiedlicher Intensität Niederschlag und werden - je nach subjektiver Perspektive - positiv oder negativ wahrgenommen und interpretiert.
Umwelt und Natur: Die Bedeutungslosigkeit politischer Grenzen für die Folgen der Umweltzerstörung führt dazu, dass die Auswirkungen der Umweltbelastungen nicht nur an den Orten ihrer jeweiligen Verursachung, sondern global wirksam werden. Die Globalisierung hat damit auch zu einem gestiegenen Bewusstsein über die Folgen der weltweiten Umweltbelastungen geführt. Auf der Ebene der Politik wird versucht, durch internationale Abkommen wie dem Kyoto-Protokoll entgegenzuwirken. Seit den 1980er-Jahren hat sich die Zahl der internationalen Umweltschutzabkommen mehr als verdoppelt. Zentrales Mittel dieser Gegenkonzeption ist der auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit basierende Agenda 21-Prozess, der 1992 in Rio de Janeiro beschlossen, allerdings vielfach nur punktuell und schleppend - zudem in manchen Staaten gar nicht - umgesetzt wurde.
Ängste und Kritik - Chancen und Visionen Die vielfältigen sozialen, politischen und kulturellen, vor allem aber auch die ökonomischen Entwicklungen im weltweiten Zusammenhang bringen Veränderungen und Ungewissheiten mit sich. Manche dieser Globalisierungsprozesse führen zu diffusen Ängsten und berechtigter Kritik, auch und gerade im Alltag Jugendlicher. Über Chancen, Visionen und über die Gestaltbarkeit des Globalisierungsprozesses wird dagegen nur selten gesprochen. Von zentraler Bedeutung ist, dass es sich bei der Globalisierung nicht um einen Zustand und schon gar nicht um eine Naturkatastrophe handelt, sondern um einen gestaltbaren Prozess, der Chancen und Gefahren birgt. Die positiven Auswirkungen der Globalisierung wie die Schaffung einer Weltöffentlichkeit ("Gemeinschaft der Völker", "Weltgewissen"), die ungehinderte Mobilität von Menschen und Informationen und die damit steigende Informationsfreiheit werden oft als selbstverständlich hingenommen - auch von Jugendlichen, die beispielsweise rund um den Globus chatten, im Netz einkaufen, weltweite Musiksender wie MTV sehen oder mit "Billigfliegern" als Globetrotter um die Welt "bummeln". Aber Globalisierung polarisiert auch und eröffnet Kontroversen. Während die einen die vollständige Liberalisierung des Handels befürworten, kritisieren die anderen wiederum das demokratische Defizit und die Asymmetrie des Globalisierungsprozesses. Während die einen mit dem raschen Tempo der Veränderungen in den Informationstechnologien Schritt halten, fühlen sich die anderen eher überfordert statt umfassend informiert. Während es die einen genießen, zwischen heimischer, ostasiatischer oder südamerikanischer Küche wählen zu können, die ganze Bandbreite von Rock und Ethno-Pop hören und beim Lesen das internationale Angebot einer "Weltliteratur" schätzen, empfinden die anderen dies als Verlust nationaler Bindungen und als bedrohliches Anwachsen "fremder" Einflüsse. Aber die Ängste und Sorgen gehen noch weit darüber hinaus: Im Zuge der Globalisierung wird immer deutlicher, dass weltweit gemeinsames Handeln notwendig ist, um globalen Gefährdungen entgegentreten zu können: sei es bei der Umweltproblematik, bei der weltweiten Verbreitung von Atomwaffen oder angesichts von Krieg und globalem Terrorismus. Ängste und Bedrohungsgefühle sind jedoch problematische Reaktionen auf Veränderungen. Ihre bewusste oder unbewusste Instrumentalisierung ist aber noch weitaus gefährlicher, weil sie Intoleranz und Aggressivität fördert. Viel wichtiger ist es, Chancen für alle Beteiligten zu betonen und Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren.
Die Themen dieses Heftes Das vorliegende Heft greift ganz bewusst drei Aspekte des Globalisierungsprozesses heraus: Kultur, Politik und Wirtschaft. Ergänzt werden diese drei Bereiche durch die Frage nach der Bandbreite der so genannten Globalisierungskritiker und die Diskussion der Konzepte und Handlungsmöglichkeiten, wie den negativen Auswirkungen der Globalisierung begegnet werden könnte. In der didaktischen Vermittlung der Problematik will das Heft eher "kleine Schritte" gehen und dabei auch die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I mit auf den Weg nehmen. Als Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem Thema Globalisierung sollen sie in der Lage sein, den Begriff der Globalisierung umreißen zu können, die Ursachen und Auswirkungen des Prozesses weltweit und in ihrem eigenen Lebenszusammenhang benennen und diskutieren zu können sowie mit den Namen der wichtigsten politischen Institutionen und Akteure des Globalisierungsprozesses vertraut zu sein. Dabei wird nicht vergessen, nach den Chancen und Risiken, Gewinnern und Verlierern zu fragen, aber auch der Frage nach neuen "Schiedsrichtern" und "Spielregeln" nachzugehen. Der Aspekt der globalen Umweltbelastung und Umweltpolitik wurde wegen seines Umfangs ganz bewusst ausgespart, genauso wie der Aspekt der weltweiten Friedenssicherung nur angerissen werden kann. Beide Themen wären lohnenswerte Aufgaben für jeweils eigene Hefte.
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