Rems-Murr-Kreis

Endlich im Rems-Murr-Kreis entdeckt: Farbrekord macht Waldschnepfen sichtbar

Waldschnepfe
Die Waldschnepfe stochert mit ihrem langen Schnabel in der weichen Erde nach Futter. © Tapani Hellmann/pixabay

Die Vögel mit den langen Schnäbeln sind so gut getarnt, dass sie tagsüber kaum zu entdecken sind. Doch in der Balzzeit zeigen sich die Männchen. Im Dunkeln! Dank eines Federfarbrekords. Und so konnte in einem sehr besonderen Projekt eine Frage quasi nebenbei geklärt werden: Gibt’s im Rems-Murr-Kreis Waldschnepfen?

Es war nicht sicher: Brüten Waldschnepfen im Rems-Murr-Kreis?

Die Waldschnepfe steht, das ist schon mal eine gute Nachricht, nicht auf der Roten Liste. Sie gehört, so die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, FVA, zu den „eher häufigen“ Brutvögeln in Baden-Württemberg. „Eher häufig“ bedeutet: Die Fachleute gehen davon aus, dass es in Baden-Württemberg 3000 bis 4000 Reviere gibt. Pro Revier gibt's ein Brutpaar. Zum Vergleich: Die Buntspechte beanspruchen 65.000 bis 80.000 Reviere. Seltene Arten wie zum Beispiel der Uhu sind nur mit 180 bis 220 Revieren vertreten.

Zahlen speziell für den Rems-Murr-Kreis gab's lange nicht. Es war nicht sicher, ob überhaupt Waldschnepfen im Rems-Murr-Kreis heimisch sind und dort brüten. Aber dann gab's von 2020 bis 2023 dieses Projekt. Eigentlich war's ein Projekt, das ein Projekt vorbereiten soll. Der Name – recht sperrig: „Methodenentwicklung für das Waldschnepfen-Monitoring“. Soll heißen: Forscherinnen und Forscher wollen Waldschnepfen systematisch beobachten, wussten aber nicht recht, wie sie das anstellen sollten. Um es auszuprobieren, wurden in vier Frühjahren jeweils im Mai und Juni Leute dazu aufgefordert, in den Wald zu gehen, die Waldschnepfenbalz zu beobachten und dann in einer Karte einzutragen, wo das Schauspiel beobachtet werden konnte. Die Leute waren – tatsächlich – keine Fachleute. Einfach nur Interessierte.

Waldschnepfen-Beobachtungen im Frühjahr 2023 im Kreis über dem Landesdurchschnitt

Im Frühjahr 2023 wurden drei Standorte von den Bürgerwissenschaftlern aufgesucht. Bei jedem Standort wurde zweimal beobachtet. Und an allen drei Standorten wurden jedes Mal Waldschnepfen gesehen. Von „knapp 50 Beobachtungen“, die damit „über dem landesweiten Durchschnitt“ seien, schreibt Philip Holderried, der bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg für Wildtierforschung und Waldvögel zuständig ist.

Doch das ist nicht alles: Seit Beginn des Projekts seien in jedem Jahr mehrere Standorte im Rems-Murr-Kreis kartiert worden. 16 Waldbestände wurden insgesamt nach Waldschnepfen untersucht. An zwölf Standorten wurden Waldschnepfen beobachtet.

Und wo hatten die Vogelbeobachter dieses Glück? Vor allem im Norden, im Murrhardter Wald. Eine Karte der FVA zeigt Vorkommen bei Spiegelberg und Großerlach sowie nah der Grenze zum Landkreis Schwäbisch Hall, Mainhardter Wald – hüben wie drüben. Außerdem im Waldgebiet „Wüstenberg“ und „Springstein“ nahe Oberbrüden, im Wald bei Kaisersbach und – südliche Ausnahme – hinter Plüderhausen direkt an der Grenze zum Landkreis Göppingen.

Ob diese Standorte die einzigen sind? Das weiß niemand. Die kartierten Standorte, schreibt Holderried in seinem Resümee über das Projekt, waren nicht gleichmäßig über das Land verteilt, sondern spiegeln die Wohnorte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wider. Es ist also gut möglich, dass auch in anderen Mischwaldgebieten, die feucht sind und Lichtungen aufweisen, Waldschnepfen balzen.

Was macht die Federn der Waldschnepfe so besonders?

Die Kartierung ist für die FVA dennoch ein Erfolg. Denn dass im Rems-Murr-Kreis die bestens getarnten Vögel heimisch sind, wurde mit diesem Monitoring endlich belegt.

Stellt sich die Frage, wie die Waldschnepfen-Gucker die Tiere, deren Gefieder so trickreich gefärbt ist, dass es auf dem Waldboden quasi mit Blättern und Erde verschmilzt, entdeckt haben.

Und da kommt der Federfarbrekord ins Spiel. Die Balz der Waldschnepfenmännchen beginnt nach Sonnenuntergang. Dann also, wenn tatsächlich so gut wie gar nichts mehr zu sehen ist. Die Waldschnepfenmännchen fliegen dann auf Höhe der Baumwipfel von Lichtung zu Lichtung und singen Liebeslieder. Für menschliche Ohren klingen diese zwar eher nach Quaken (wer's hören will, lauscht hier), doch bei den Waldschnepfen-Weibchen erfüllen sie ihr Soll. Und: Die Spitzen der Schwanzfedern, beim Flug gespreizt und gut zu sehen, haben das weißeste Weiß, das im Vogelreich vorkommt. Heller noch als das Weiß der Alpenschneehühner. Das letzte Licht des Tages wird von diesen weißen Spitzen so gut reflektiert, dass es auf die Waldschnepfen-Weibchen wirken muss, wie wenn ein Taschenlämpchen den Weg zum Liebsten leuchtet. (Wer mehr dazu wissen will, liest bei spektrum.de nach). Die Vogelfans mussten somit nur lauschen und gucken.

Das Monitoring-Projekt ist beendet, doch Interessierte können weitermachen

Das Monitoring-Projekt sei, schreibt Philip Holderried, erst mal beendet. Was nicht heißen soll, dass nicht Begeisterte weiterhin im Mai und Juni still auf Lichtungen stehen und lauschen und gucken sollen. Es gibt Online-Meldeportale. Unter www.ornitho.de oder www.naturgucker.de können Vogelbeobachtungen eingetragen werden.

Die Vögel mit den langen Schnäbeln sind so gut getarnt, dass sie tagsüber kaum zu entdecken sind. Doch in der Balzzeit zeigen sich die Männchen. Im Dunkeln! Dank eines Federfarbrekords. Und so konnte in einem sehr besonderen Projekt eine Frage quasi nebenbei geklärt werden: Gibt’s im Rems-Murr-Kreis Waldschnepfen?

Es war nicht sicher: Brüten Waldschnepfen im Rems-Murr-Kreis?

Die Waldschnepfe steht, das ist schon mal eine gute Nachricht, nicht auf der Roten Liste. Sie gehört,