Ein Ateliergespräch mit dem Graphic Designer und Plakatgestalter Pierre Mendell am 16. Mai 2002 im Atelier von Wolfgang Beinert in München. 

»Pierre Mendell ist unbestritten einer der wenigen deutschen Grafikdesigner, die kontinuierlich auf höchstem internationalen Niveau arbeiten. Seit nun mehr 40 Jahre hat er die Alltagskultur der visuellen Kommunikation in Deutschland mitgeprägt. Insbesondere seine Plakate genießen nicht nur unter Kollegen hohe Wertschätzung. Mendell spricht die „Sprache der Straße“ perfekt. Seine Plakate sind in der Regel schlicht, klug und schön. Und: sie funktionieren!« Wolfgang Beinert, 2002.

Mendell´s Arbeitsgebiete umfassen aber nicht nur Plakate, sondern auch die Entwicklung von Corporate Designs, Werbekonzepte, Buch- und Verpackungsgestaltung, Orientierungssysteme und Architectural Graphics. Pierre Mendell wurde 1929 in Essen geboren. Er emigrierte 1934 nach Frankreich, wo er bis 1947 lebte und zur Schule ging. 1947 emigrierte er nach den Vereinigten Staaten von Amerika. 1953 kehrte Pierre Mendell nach Frankreich zurück und arbeitete fünf Jahre in der Textilfabrik seiner Familie. 1958 trat er in die Schule für Gestaltung in Basel, Schweiz, ein und studierte Grafikdesign bei Armin Hofmann.

1961 gründete er zusammen mit Klaus Oberer das Studio Mendell & Oberer in München. Seit Januar 2000 Pierre Mendell Design Studio. Die Arbeit des Studios umfasst alle Bereiche des Graphic Designs und der visuellen Kommunikation. Pierre Mendell erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem, die Goldmedaille des Art Directors Club Deutschland, die Goldmedaille des Art Directors Club New York, Bestes Deutsches Plakat des Grand Prix International de l´Affiche Paris und den Deutschen Plakat Grand Prix.

Pierre Mendell´s Arbeiten wurden ausgestellt im Stadtmuseum München, im Internationalen Design Zentrum Berlin, in der Galleria Aiap Mailand, im Muzeum Plakatu Warschau, im Museo Nacional de Bellas Artes Buenos Aires, im Centro de la Imagen Mexiko City und im Visual Arts Museum New York. Seine Arbeiten sind in der Grafikdesign Collection des Museum of Modern Art New York vertreten. Pierre Mendell lehrte von 1987 bis 1996 an der Sommerakademie der Yale University in Brissago, Schweiz. Pierre Mendell ist Mitglied der Alliance Graphique Internationale und Honorary Royal Designer for Industry of the Royal Society of Arts London.

 

Pierre Mendell´s Philosophie
»Oft werde ich nach der Philosophie hinter meiner Arbeit gefragt. Und ich antworte immer, dass ich keine habe. Der Begriff Philosophie fällt mir im Zusammenhang mit grafischen Projekten nicht ein. Ich versuche das Thema pragmatisch anzugehen, so nah am Inhalt wie möglich. Natürlich suche ich nach einfachen, kommunikativen Lösungen, weil ich glaube, dass die Welt von Bildern überflutet ist und dass eine einfache, direkte Formulierung die Botschaft besser hinüberbringt. Auf den ersten Blick so zu sagen. In diesem Zusammenhang gibt es auch so etwas wie eine visuelle Ökologie, die mich motiviert. Wenn es dennoch eine Philosophie geben müsste, dann die, dass die Art, wie die Menschen miteinander kommunizieren, auch ihre Kultur definiert. Und wenn wir etwas Kultur in das Grafikdesign für den Alltag einbringen können, umso besser«. Pierre Mendell, 2001.

 

Resümee
Am Donnerstag, 16. Mai 2002 um 20.00 Uhr fand das Ateliergespräch mit Pierre Mendell im Atelier Beinert statt. Rund hundert Freunde und Bekannte des Ateliers trafen sich in der ungezwungenen Atmosphäre. Der Plakatkünstler und Grafikdesigner Mendell zeigte eine Auswahl seines Schaffens der letzten Jahrzehnte. Darunter auch aktuelle Projekte, wie beispielsweise die Plakatserie für die Sprachkurse der Volkshochschule München, die Plakatserie der Staatsoper München und Not-Profit-Plakate zu den sozialkritischen Themen Rassismus und Drogen, die in Eigeninitative entstanden.

Zur Ideenfindung arbeitet Pierre Mendell zunächst mit vielen kleinen Skizzen. Nach einer strengen Auswahl werden einige durch händische Collage oder durch Layout am Computer ausgearbeitet. Um ihre Wirkung besser einschätzen zu können, werden die Layouts nach einer weiteren Selektion auf Originalgröße skaliert. Das Resultat dieser Vorgehensweise liefert einen einzigen Entwurf – was für diese Branche eher unüblich ist. Dies spiegelt auch seine Einstellung zur Qualität des Designs wieder. Denn nicht der Zeitfaktor oder die Menge der Vorschläge ist entscheidend, sonder das gut durchdachte Endprodukt. So ist er auch kein Freund von Kompromissen: wenn dem Kunden die Arbeit nicht zusagt, fängt er lieber wieder von vorne an. Pierre Mendell hat also kein Geheimrezept für seine Entwürfe: die meisten entstehen durch einen – ganz normalen, manchmal quälenden – Prozess.

 

Plakat »Vor Gott sind alle Menschen gleich«, eine Initiative des Studios Mendell 1995 und das Plakat »Japanische Plakate« für die Neue Sammlung München.
Plakat »Vor Gott sind alle Menschen gleich«, eine Initiative des Studios Mendell 1995 und das Plakat »Japanische Plakate« für die Neue Sammlung München.

 

Mendells Plakate sind unverkennbar. Dennoch bestreitet er vehement, einen bestimmten Stil zu haben; sondern „wenn überhaupt, dann eine bestimmte Denkart“. Für ihn ist jedes Projekt ein Problem, das es zu lösen gilt. Um seinen Standpunkt zu verdeutlichen gab er folgendes Beispiel: „Wenn eine Frau Stil hat, heißt das ja nicht, dass sie jeden Tag dasselbe anzieht.“ Auch Mendells Designstudio geht mit der Zeit und gestaltet – neben Plakaten und Broschüren – Websites. Doch der größte Unterschied in der Designerbranche zwischen der damaligen und der heutigen Zeit ist, dass früher die Plakate von Künstlern gestaltet wurden, während sie heutzutage in Werbeagenturen meistens nur Teil einer Kampagne sind. Bei den Ideen aber verhält es sich wie eh und je: „Ideen liegen in der Luft. Und wer zuerst danach schnappt, der hat sie.“

 

Weiterführende Information.
Biographie von Wolfgang Beinert über Pierre Mendell unter www.typolexikon.de/mendell-pierre