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Eine Auto-Kreuzfahrt zu den Fjorden im Süden

An Norwegens Küsten drängen sich die Kreuzfahrtschiffe. Oft sind Tausende Passagiere gleichzeitig auf Landgang. Wer das Land ursprünglicher und entspannter erleben will, erkundet es mit dem Auto.
Norwegen: Eine Insel im Hardangerfjord, der sich rund 170 Kilometer ins Landesinnere zieht Norwegen: Eine Insel im Hardangerfjord, der sich rund 170 Kilometer ins Landesinnere zieht
Eine Insel im Hardangerfjord, der sich rund 170 Kilometer ins Landesinnere zieht
Quelle: picture-alliance / DUMONT Bildar

Gleich nach der Stadtgrenze von Oslo beginnt eine andere Autofahrerwelt. Die Verkehrsdichte wirkt beschaulich wie in Deutschland an einem Sonntagmorgen. Kein Stop and Go an den Kreisverkehren, ohne Stress und Stau geht es durch die Ortschaften, der Verkehr fließt völlig undramatisch auf schier endlosen, gut ausgebauten Straßen. Ein vielversprechender erster Eindruck für die anstehende Auto-Kreuzfahrt zu den Fjorden Südnorwegens.

Jawohl, mit genau dem Verkehrsmittel, das angesichts der Klimadebatte in der Kritik steht, lassen sich die entspanntesten und eindrucksvollsten Fjord-Perspektiven gewinnen. Eine Schiffstour bietet zwar ähnliche Kulissen, aber nur per Auto lassen sich auch die einsamen Weiten des Landes erkunden.

Von Oslo nach Bergen sind es 500 Kilometer Landstraße, Google Maps errechnet über sieben Stunden Fahrzeit. Die lässt sich gut auf zwei Tage verteilen – so hat man Zeit, auch das Hinterland zu genießen: die faszinierende Ödnis der Hardangervidda, der kaum erschlossenen größten Hochebene Europas.

Norwegen
Quelle: Infografik WELT

Auf der sich endlos schlängelnden Piste führt die Auto-Kreuzfahrt vorbei an glasklaren, sprudelnden Bächen und – bei Sonnenschein – tiefblauen Seen, man sieht vom Gletschereis gerundete Steinformationen und ewigen Schnee auf den flachen Hügeln. Eine karge, schon arktisch anmutende Landschaft rund 1000 Meter hoch, in der auch im Sommer der Frühling nur langsam startet.

Tagestouren per Schiff von Bergen aus

Die Fjorde scheinen hier weit entfernt, doch die Fahrt durch diese Wildnis endet jäh: Durch ein schroffes Tal geht es plötzlich steil hinab, vorbei an den tosenden, gut 160 Meter in die Tiefe stürzenden Fluten und Gischtfahnen des Wasserfalls Vøringsfossen. Dann ist die Meereshöhe erreicht: der Eidfjord, hinterster Ausläufer des 170 Kilometer langen Hardangerfjordes. Bergen ist von hier aus immer noch fast eine halbe Tagesreise entfernt.

Norwegen: Gut 160 Meter in die Tiefe stürzen die Fluten des Wasserfalls Vøringsfossen
Berauschend: Gut 160 Meter in die Tiefe stürzen die Fluten des Wasserfalls Vøringsfossen
Quelle: Moment/Getty Images

Einst Hansestadt der deutschen Kaufleute, befindet sich Norwegens zweitgrößte Stadt heute voll im Griff des Kreuzfahrttourismus. Nur ein paar Hundert Meter hinter dem Bryggen, dem Viertel mit dem Postkartenmotiv der pittoresken Holzhäuser aus der Hansezeit, ragen wie unwirkliche Hochhaus-Kulissen die Decks der Schiffsriesen in den Himmel. Durch die Gassen und über den Fischmarkt Torgen wälzen sich die Massen ihrer Passagiere. Eine gemütliche Stadt wird Bergen erst dann, wenn die Tagesgäste wieder an Bord gegangen sind.

Rund um Bergen kann man die Fjorde auch als Auto-Kreuzfahrer per Schiff erleben. Es gibt Tagestouren in den Sognefjord oder einen Ausflug durch die Inselwelt vor Bergen: Ein Katamaran fährt wie ein Linienbus von Anleger zu Anleger in zweieinhalb Stunden nach Rosendal am Südufer des Hardangerfjords. Von dort ist es nur noch ein Spaziergang in die Baronie und ihre Gärten, ein aus dem 17. Jahrhundert stammendes Herrenhaus. Es gilt als kleinstes Schloss Skandinaviens.

Norwegen hat ein gut ausgebautes Straßennetz

Nordwärts geht es von Bergen entspannt weiter. Norwegen ist kein armes Land und leistet sich ein gut ausgebautes, gepflegtes Fernstraßennetz, nummeriert als Europastraßen. Kühne Brücken und unzählige Tunnel – manchmal mit in den Fels gehauenen Kreisverkehren – erleichtern das Vorankommen. Auch Nebenstrecken sind gut in Schuss, nicht selten aber nur einspurig mit Ausweichstellen, manchmal luftig hoch über dem Wasser mitten auf schmalen Brücken.

Das alles gibt es nicht umsonst: In den Städten, auf den wenigen Autobahnkilometern, aber auch vor den vielen Kunstbauten kündigt das Schild „Autopass“ Mautstrecken an. Der Griff zum Portemonnaie erübrigt sich; Elektronik registriert die Durchfahrt, die Rechnung kommt erst nach der Reise. Und die ist maßvoll: Über einen zweistelligen Euro-Betrag werden Urlauber kaum hinauskommen.

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Mehr als Tempo 80 ist fast nirgends erlaubt. Sich daran strikt zu halten spart kräftige Bußgelder und hält den Verbrauch des gegenüber Deutschland deutlich teureren Sprits niedrig. Gelassene 80 fahren sie dann alle: große und kleine Pkw, Busse, Lastwagen. So gibt es kaum Kolonnen, keine Drängler, keine waghalsigen Überholmanöver. Gewarnt seien Falschparker, denn auch hier ist der norwegische Staat streng und wenig nachsichtig.

Zur Norwegen-Kreuzfahrt auf dem Asphalt gehören immer wieder auch Schiffsfahrten, denn regelmäßig müssen Fjorde und Sunde per Fähre überwunden werden, meist für umgerechnet zehn bis 15 Euro. Selten dauern sie länger als eine Viertelstunde, bieten aber immer wieder Landschaftskino und Entspannungspausen für Autofahrer. Lange Wartezeiten an den Ufern gibt es kaum, denn auf den meisten Verbindungen sind wenigstens zwei Schiffe unterwegs.

Vom Geirangerfjord zu den Serpentinen des Trollstigen

Etwas mehr Schifffahrt bietet die dramatisch enge Schlucht des Geirangerfjords. Der ist auf der Auto-Kreuzfahrt genauso ein Muss wie auf einer Schiffskreuzfahrt. Im Ort Hellesylt startet eine Autofähre im Sommer mehrmals täglich zu einer einstündigen Tour in das Dörfchen Geiranger, mit Erklärungen auch in Deutsch und Englisch, vorbei an den viel gerühmten Wasserfällen der „Sieben Schwestern“.

Norwegen: Der Geirangerfjord gehört seit Juli 2005 zum Unesco-Weltnaturerbe
Der Geirangerfjord gehört seit Juli 2005 zum Unesco-Weltnaturerbe
Quelle: Getty Images/larigan - Patricia Hamilton

Das Touristengewimmel kann der Pkw-Urlauber getrost rechts liegen lassen und auf dem Ørnevegen, der „Adlerstraße“, in mehreren Serpentinen zum Aussichtspunkt Ørneswingen hinauffahren, hoch über dem Fjord. In der Nähe lockt noch ein weit höher gelegener Aussichtspunkt: Knapp 1500 Meter hoch führt eine private Mautstraße – bezahlt wird hier bar – zum Gipfel des Dalsnibba, der zumindest bei schönem Wetter alpine Perspektiven und einen sensationellen Fjord-Fernblick garantiert.

Gut zwei Autostunden vom Geirangerfjord entfernt ist der Trollstigen ein weiteres Highlight im Wortsinn: eine serpentinenreiche Passstraße mit elf Haarnadelkurven, gesäumt von den Kaskaden eines mächtigen Wasserfalls, die sich durch wilde Bergkulissen zieht, vergleichbar dem hochalpinen Pass am Stilfser Joch in Südtirol.

Der Trollstigen mit seinen Serpentinen ist Norwegens berühmteste Passstraße
Der Trollstigen mit seinen Serpentinen ist Norwegens berühmteste Passstraße
Quelle: Stone/Getty Images

Eine über dem Fjord quasi ins Nichts ragende Aussichtsplattform bietet ein spektakuläres Panorama. Das muss man sich jedoch häufig mit den zahlreich übers Meer gekommenen Besuchern teilen: Der Ausguck gehört zum Ausflugsprogramm vieler Kreuzfahrtschiffe.

Panoramablick auf Fjorde und Atlantik

Also weiter zu einer ähnlichen Plattform über tiefem Talgrund, die etwas einsamer ist: der Stegastein. Mehr als 600 Meter über dem Aurlandsfjord, einem Ausläufer des Sognefjordes, fällt der Blick hier herab, schwindelfrei sollte man allerdings sein.

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Die enge Bergstraße dorthin zweigt von der Zufahrt zum Laertunnel ab, dem mit knapp 25 Kilometern längsten Straßentunnel der Welt. Die Straße zu finden ist etwas mühselig. Sie zu fahren wird dramatisch, wenn ein Reisebus entgegenkommt. Dann muss schon mal zentimetergenau rangiert werden.

Norwegen: Aussichtspunkt am Stegastein hoch über dem Aurlandsfjord
Kaum Touristen: Aussichtspunkt am Stegastein hoch über dem Aurlandsfjord
Quelle: The Image Bank/Getty Images

Hinter dem Aussichtspunkt wird es fast menschen- und autoleer: Die seit der Tunneleröffnung zur Nebenstrecke gewordene schmale Piste durchquert den Aurlandsfjellet, eine Hochebene, auf der auch im Frühsommer noch Frost und Schneetreiben angesagt sein können.

In stürmische Einsamkeit führt der Ausflug zum Vestkapp, im Reiseführer als „Kap Hoorn des Nordens“ tituliert. Es ist der westlichste Punkt des norwegischen Festlands. Die See ist hier fast immer aufgewühlt, viele Schiffsunglücke passierten am Kap, nicht umsonst spricht man auch vom größten Schiffsfriedhof des Landes.

Wie viel angenehmer ist es doch, die Rundumsicht auf den heranrollenden Atlantik und auf die von Gletschern geformte Bergwelt von oben aus zu genießen, umringt von einer Schafherde, statt auf dem Meer der Urgewalt der Wellen ausgesetzt zu sein! Rund 500 Höhenmeter tiefer liegt die Bucht von Ervik. Hier tummeln sich neoprengeschützt einige Surfer auf den lang einlaufenden Wellenkämmen.

Ohne Kreuzfahrtschiffe ist Ålesund eine behagliche Stadt

Die Auto-Kreuzfahrt streift sogar Norwegens Gletscherwelt. Fast hinunter bis auf Meereshöhe reichen die Ausläufer des zentralen Gletschermassivs des Jostedalsbreen. Im Westen ist die Eismasse am Boyabreen nur einen Spaziergang weit von der Nord-Süd-Fernstraße E 5 entfernt, weiter nördlich führt von Olden am Innvikfjord eine abenteuerlich schmale Straße entlang des wild abfließenden Gletscherschmelzwassers zum 25 Kilometer entfernten Briksdalsbreen.

Nach einem kurzen Fußmarsch über Schotter, Bäche und durch schmales Gehölz eröffnet sich der Blick auf den eiskalten Giganten. Ein Gänsehaut-Moment, den Schiffs-Kreuzfahrer nicht erleben.

Ein weiterer Höhepunkt der Auto-Tour ist die Stadt Ålesund mit ihrem Aussichtsberg Aksla. 418 Stufen führen hinauf. Lohn der Kletterei ist ein fast unwirklicher Panoramablick auf Norwegens weiße Stadt. Ein Großbrand vernichtete 1904 die Holzhäuser der Innenstadt. Der deutsche Kaiser Wilhelm II., begeisterter Norwegenurlauber und Ålesund-Fan, ließ Hilfsleistungen organisieren. Die Stadt dankte es ihm mit einem Denkmal und der nach ihm benannten Prachtstraße Keiser-Wilhelms-Gate.

Der Wiederaufbau schuf ein einzigartiges Ensemble aus traditionellen norwegischen Elementen und Jugendstil, sicherheitshalber aus Stein statt aus Holz. Wenn nicht gerade mehrere Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig anlegen, ist Ålesund eine behagliche Stadt zum Bummeln und Shoppen.

Im Auto durch den tiefsten Straßentunnel der Welt

Von Ålesund aus sind zwei verkehrstechnisch bemerkenswerte Bauwerke erreichbar: Im Eiksundtunnel geht es 300 Meter tief unter den Meeresspiegel, mit Gefälle und Steigung von fast zehn Prozent. Es ist der tiefste Straßentunnel der Welt. Mit unerbittlicher Geschwindigkeitskontrolle: Zwei Kameraaugen messen an Ein- und Ausfahrt, in welcher Zeit der Sund unterfahren wird.

Weiter nördlich, zwischen Molde und Kristiansund, führt die Staatsstraße auf rund neun Kilometern als Atlanterhavsvegen, als Atlantikstraße, in elegantem Schwung gleich einer riesigen Schlange und dank waghalsig wirkender Brückenkonstruktionen über diverse Inselchen und Wasserwege – ein lohnenswerter Umweg in Richtung Trondheim.

Norwegen: Die Atlantikstraße führt in elegantem Schwung über diverse Inselchen und Wasserwege
Die Atlantikstraße führt in elegantem Schwung über diverse Inselchen und Wasserwege
Quelle: Getty Images/Steve Weaver, Canterbury, UK,

Das nördlichste Ziel im südlichen Norwegen zeichnet sich durch gemütliche Provinzialität aus. Ein markierter Stadtrundgang erschließt Attraktionen wie die bunt angestrichenen Pfahlbauten der Speicherstadt am Fluss Nidelv, die alte Stadtbrücke Gamle Bybro mit geschnitzten Torbögen und den mächtigen Nidaros-Dom, den größten Sakralbau Skandinaviens, der ein Nationalheiligtum Norwegens ist.

An der nördlichen Ausfahrt aus der Stadt macht ein Verkehrsschild an der E6 einmal mehr klar: Norwegen ist groß. Ausgeschildert ist hier der nächste bedeutende Ort – Narvik, 902 Kilometer entfernt. Zum Flughafen Oslo sind es dagegen „nur“ 500 Kilometer. Wegen des Tempolimits von 80 km/h eine lange, viel Geduld erfordernde Tagesreise. Auf den letzten Autobahn-Kilometern vor dem Flughafen fühlt man sich immerhin fast wie in Mitteleuropa: Erst ist Tempo 90 erlaubt, dann sogar Tempo 100.

Tipps und Informationen

Anreise: Mit dem eigenen Auto bieten sich Fährverbindungen nach Oslo an, von Kiel (colorline.de) oder Kopenhagen (dfdsseaways.de). Oslo wird von Deutschland aus unter anderem von SAS, Lufthansa und Easyjet angeflogen. Mietwagenbuchung im Flughafen via Internet.

Buchung: Reiseveranstalter bieten verschiedene individuelle Norwegen-Autotouren an, zum Beispiel Dertour (dertour.de), Fjell und Fjord Reisen (fjell-und-fjord.de) oder TUI/Wolters Reisen (tui-wolters.de). Rundfahrten lassen sich aber nach einigem Kartenstudium und der Auswahl der Ziele über Hotelportale auch gut in Eigenregie zusammenstellen. Gegenüber den Veranstalter-Paketen sind bei eigener Buchung schnell etliche Hundert Euro eingespart. Auch Ausflüge und Schiffsfahrten lassen sich im Internet bestellen und vorab bezahlen.

Preisniveau: Norwegen ist teuer. Laut Statistischem Bundesamt liegt das Preisniveau rund 42 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Für Essen, Trinken, Schlafen bewegt man sich in etwa auf hohem deutschen Großstadtniveau, auch in Kneipen und Cafés. Ausnahme ist der Alkohol: Schon ein großes Bier kostet nicht nur in der Hotelbar mindestens zehn Euro.

Weitere Infos: visitnorway.de

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