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Ausland Sexaffäre

Bunga-Bunga-Berlusconi in der Hand der Frauen

Chefkorrespondent Außenpolitik
Ausgerechnet drei Richterinnen sollen den Prozess wegen Amtsmissbrauchs und Prostitution mit Minderjährigen gegen Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi leiten.

Sind es am Ende die Frauen, die Silvio Berlusconi zum Verhängnis werden? Am Wochenende sind sie in Italien zu hunderttausenden auf die Straße gegangen, um gegen das Frauenbild zu protestieren, das Berlusconis Sexskandale verbreiten. Nun hat die Mailänder Staatsanwaltschaft Anklage gegen Berlusconi erhoben.

Weil er Freier einer minderjährigen Prostituierten gewesen sein soll – und wegen Vorteilsannahme. Der Vorwurf: Berlusconi habe sein Amt missbraucht, als er nach der Festnahme von Karima al-Mahroug – Künstlername: Ruby Rubacuori, die Herzensbrecherin – bei der Polizei zu ihren Gunsten intervenierte. Am 6. April soll der Prozess starten. Und dann liegt das Urteil in den Händen von Frauen: Drei Richterinnen werden den Prozess leiten.

Die Anklage in der Bunga-Bunga-Affäre wurde seit Tagen erwartet. Überraschend war dann aber, mit welcher Geschwindigkeit die Staatsanwaltschaft in Mailand die Sache nun betreiben will. Normalerweise gibt die italienische Prozessordnung vor Anklageerhebung die Möglichkeit, den Beschuldigten anzuhören. Das meinte die Justiz sich diesmal sparen zu können. Die Beweislage sei so eindeutig, dass man sofort mit dem Verfahren beginnen könne.

Wie zu erwarten war, schreit das Berlusconi-Lager Zeter und Mordio. Die Anklage bestätige, sagt etwa Umweltministerin Stefania Prestigiacomo von Berlusconis „Partei der Freiheit“ (Pdl), „dass der juristische Verfahrensweg in Italien die Verlängerung der Politik mit anderen Mitteln ist“. In das gleiche Horn bläst Pdl-Sprecher Daniele Capezzone. Die Situation sei wirklich paradox, weil es weder ein Verbrechen noch Opfer gebe, dafür sei aber seit Wochen ein Medienprozess gegen den Premier im Gange.

Die Linke hingegen wittert die Chance, Berlusconi endlich loszuwerden. Der Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen „Partito Democratico“ (PD), Dario Franceschini, meint, wenn Berlusconi tatsächlich unschuldig sei, dann solle er sich eben vor den Richtern verantworten. Franceschinis Vize sorgt sich um das Image Italiens und fordert den Rücktritt des Premiers, „damit wir nicht zum Gespött der Welt werden“.

Der Prozess scheint gefährlicher als frühere Verfahren

Silvio Berlusconi selbst hüllte sich zunächst in Schweigen. Tatsächlich scheint dieser Prozess ihm weit gefährlicher werden zu können als vorangegangene. Die eherne Parlamentsmehrheit, mit der er in der Vergangenheit oft maßgeschneiderte Gesetze für sich verabschieden ließ, ist seit dem Rauswurf von Gianfranco Fini aus der Pdl dahin. Und vor einigen Wochen hat das Oberste Gericht eine Verfassungsänderung zum Teil gekippt, die Berlusconi erlaubt hätte, Prozesse auf unbestimmte Zeit zu verschieben mit der Begründung, die Regierungsgeschäfte gingen vor.

Die immer noch gegen Berlusconi anhängigen Prozesse, unter anderem wegen Schmiergeldzahlungen, Bilanzfälschung, Steuerbetrug und Veruntreuung, laufen schon so lange, dass es dem Premier mit Hilfe seiner Anwälte möglicherweise trotzdem gelungen wäre, hier vor einem Urteil die Verjährungsfristen zu erreichen.

Aber die Handlungen, auf denen die neue Anklage beruht, liegen zeitlich weit weniger lange zurück. Berlusconi könnte diesmal also das Verfahren verzögern, aber dem Richterspruch ganz entgehen zu wollen, scheint nach derzeitigem Stand ein aussichtsloses Unterfangen zu sein. Zumal die Staatsanwaltschaft offenbar schon in Erwartung weiterer Verzögerungstaktiken des Premiers eine Verfahrensstufe übersprungen hat.

Opposition fordert Rücktritt – doch wer könnte folgen?

Steht Italien also eine lange Agonie der Regierung mit peinlichen Auftritten des Premiers bevor, der vor Gericht über seine Sexpraktiken Auskunft geben muss?

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Genau das möchte die Opposition gern verhindern. „Das ist eine unhaltbare Situation, deshalb fordern wir den Rücktritt“, sagt PD-Chef Pier Luigi Bersani. „Wir wollen nicht, dass Italien führungslos dahintreibt.“ Am Ende wird aber ausschlaggebend sein, ob es Berlusconi gelingt, sein Lager zusammenzuhalten. Das wird zunehmend schwerer, besonders weil das katholische Milieu wegen der Sexeskapaden des Premiers zunehmend auf Distanz geht. Der „Osservatore Romano“ ist seit geraumer Zeit von Berlusconi abgerückt. Und der Kommentator des katholischen Wochenmagazins „Famiglia Cristiana“ fühlt sich durch die weibliche Besetzung des Richtergremiums gar an die antike Rachegöttin Nemesis erinnert. „Du, Berlusconi, hast Dich in böswilliger Weise der Frauen bedient, und eben diese Frauen werden jetzt für Gerechtigkeit sorgen“, heißt es in einem Kommentar in der Online-Ausgabe der „Famiglia Cristiana“.

Tatsächlich bleibt das italienische Dilemma bestehen. Gianfranco Fini war bisher zu schwach, um im konservativen Lager zum Königsmörder zu werden und auch die linke Opposition ist in keiner guten Verfassung. Und es ist weiterhin das Amt als Ministerpräsident, welches Berlusconi am wirksamsten vor einer schnellen Verurteilung schützt. Der Premier wird sich also weiter mit all seiner Energie an der Macht halten wollen. Zumal die nun drohenden Strafen nicht unerheblich sind. Für Vorteilsannahme sieht das italienische Gesetzbuch vier bis zwölf Jahre Haft vor. Für bezahlten Sex mit Minderjährigen beträgt das Strafmaß immerhin noch sechs Monate bis drei Jahre Gefängnis.

Nicht einmal der Ausweg, den Berlusconis alter Freund und Gönner, der inzwischen verstorbene Sozialistenchef Bettino Craxi, einst gewählt hat, steht dem Premier offen. Craxi war 1994 vor dem Zugriff der Justiz ins tunesische Hamamet geflohen. Damals machte sich bezahlt, dass Craxi lange Zeit gute Beziehungen zu afrikanischen Diktatoren gepflegt hatte, so dass der tunesische Herrscher Zine el-Abidine Ben Ali seine Hand über ihn hielt. Nach der Revolution in Tunesien ist das nicht mehr so einfach. Nordafrikanische Diktatoren sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Berlusconis Zukunft hängt also letztlich davon ab, wie lange sich seine Partei diesen Premier noch leisten will.

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