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Was steckt dahinter, dass viele Menschen zu Beginn der Ferien krank werden? Bild: Adobe Stock

Gute Frage Warum bin ich zu Beginn der Ferien häufig krank?

Es ist ein verbreitetes Phänomen: Sobald der Stress abfällt und die Ferien beginnen, werden viele Menschen krank. Travelnews erklärt, was dahinter steckt.

Ein Kratzen im Hals, leicht erhöhte Temperatur und ordentlich Gliederschmerzen: Krankheitssymptome sind selten ein Grund zur Freude (ausser man hat dadurch die Möglichkeit, das Weihnachtsessen bei den ungeliebten Schwiegereltern abzusagen). Richtig ärgerlich wird es, wenn man – nach langer Vorfreude – gleich zu Beginn der Ferien flachliegt. Das ist typisch für die so genannte «Freizeitkrankheit», auch als «Leisure Sickness» bekannt.

Viele Leute haben damit schon (unschöne) Bekanntschaft gemacht. Eine repräsentative Umfrage in Deutschland im Jahr 2017 hat gezeigt, dass 22 Prozent der berufstätigen Menschen bereits davon betroffen waren. Die Bandbreite der Symptome erstreckt sich  bei der «Freizeitkrankheit» von Schlafstörungen über Erkältungssymptome und Kopfschmerzen bis hin zu allgemeiner Erschöpfung.

Die Studie zeigte auch: Ein besonders hohes Risiko, Opfer von «Leisure Sickness» zu werden, haben Arbeitnehmende mit einem grossen Verantwortungsgefühl und einer hohen Identifikation mit ihrem Job. Das heisst: Wer im Beruf ehrgeizig und perfektionistisch ist oder schlecht abschalten und entspannen kann, liegt zu Ferienbeginn häufiger flach als andere Berufstätige.

Im Körper entsteht ein Ungleichgewicht

Aber warum werden wir gerade dann krank, wenn der Arbeitsstress eigentlich hinter uns liegt? Carolin Hauschild, Leiterin der Notfallpraxis am Luzerner Kantonsspital, sieht als Hauptgrund ein Ungleichgewicht des vegetativen Nervensystems, das die beiden Gegenspieler Sympathikus und Parasympathikus umfasst.

«Der Sympathikus ist in Stress- und Notfallsituationen besonders aktiv, während der Parasympathikus die Körperfunktionen in den Ruhephasen steuert», erklärt sie. Durch das Zusammenspiel der beiden würden lebenswichtige Körperfunktionen wie der Herzschlag, die Atmung, die Verdauung und der Stoffwechsel beeinflusst.

«Ist der Körper im Arbeitsleben Stress und Leistungsdruck ausgesetzt, wird er durch eine hohe Aktivität des Sympathikus zu geistigen und körperlichen Höchstleistungen angetrieben. Die ständige Ausschüttung von Stresshormonen kurbelt auch das Immunsystem an», so die Ärztin. Dadurch gelinge es besser, anstrengende Arbeitsphasen energiegeladen und gesund zu überstehen.

«Fällt dann der Leistungsdruck in den Ferien plötzlich weg, sinkt der Stresshormon-Pegel und die Immunabwehr lässt nach. Dadurch werden wir anfälliger für Erkältungskrankheiten oder Erschöpfungssymptome», erklärt Hauschild. Dies sei im übrigen weder eine Frage des Alters noch des Geschlechts.

Ad Vingerhoets, Professor für Klinische Psychologie an der Universität Tilburg in den Niederlanden, hat noch einen zweiten Erklärungsansatz. Er sagte im «Tages-Anzeiger»: «Menschen mit hektischen Berufen nehmen ihre Körperempfindungen in der Freizeit viel stärker wahr als an normalen Arbeitstagen, weil ihre auf ihren Körper gerichtete Aufmerksamkeit in der Hektik des Alltags abgelenkt wird.»

Dazu müsse man wissen, dass das Empfinden von Schmerzen und Müdigkeit Aufmerksamkeit verlangt. «Das ist auch der Grund, weshalb Sportlerinnen und Sportler Schmerzen oder gar Verletzungen oft erst nach dem Wettkampf bemerken», so Vingerhoets. Mit anderen Worten: Wenn es keine arbeitsbedingten Ablenkungen gibt, achten die Menschen eher auf ihren schmerzenden Rücken oder ihren pochenden Schädel.

Work-Life-Balance ist entscheidend

Es gibt Möglichkeiten, die Gefahr von «Leisure Sickness» zu minimieren. «Ich empfehle allen Betroffenen, einen ehrlichen Blick in den Spiegel zu werfen, ihr Leben ernsthaft zu betrachten und sich zu fragen, ob bei ihnen das Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben ausgewogen ist», sagt Ad Vingerhoets.

Man solle sich die Ursachen der Probleme bewusst machen, diese angehen und Veränderungen vornehmen. «Klappt das nicht, sollte man eine Psychologin oder einen Psychologen mit Erfahrung auf dem Gebiet der Stressbewältigung aufsuchen.»

Carolin Hauschild vom Luzerner Kantonsspital ergänzt: «Auch ausserhalb der Ferien sind Erholungs- und Entspannungsphasen wichtig. Es bewährt sich, Arbeit und Freizeit klar zu trennen und Zeit für Familie und Freunde bewusst einzuplanen.»

Ein besonderes Augenmerk verdienen laut der Ärztin die Tage unmittelbar vor den Ferien, an denen sich oft allerhand anstaue. «Dem lässt sich allenfalls durch eine frühzeitige Planung zum Teil vorbeugen. Auch ausreichend Schlaf und regelmässige Bewegung können helfen», sagt Hauschild.

(RSU)