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Verhaltensforscher im InterviewWie es Kellnerinnen und Kellner schaffen, mehr zu verdienen

Guter Service lohnt sich: Eine Restaurantfachfrau an den Schweizer Berufsmeisterschaften Swiss Skills. 

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Das Vorgehen des Zürcher Gastronomen Michel Péclard sorgte jüngst für Aufsehen. Er hat in einigen seiner Betriebe diesen Sommer eine Umsatzbeteiligung des Personals eingeführt und einen Produktivitätsschub ausgelöst. «Im Schnitt verdienen unsere Umsatzlöhner jetzt 8000 bis 12’000 Fr. pro Monat», sagte Péclard der «NZZ am Sonntag». Ein Kellner habe es im Juni sogar auf 16’500 Franken gebracht.

Laut dem Verhaltensökonomen Gerhard Fehr funktionieren Umsatzlöhne aber nicht immer. Er ist der Gründer der Beratungsfirma Fehr Advice. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie Firmen menschliches Verhalten verändern können.

Was Fehr zunächst betont: Ein Restaurant ist ein Erfahrungsgut, bei dem das Verhalten des Personals ein entscheidender Faktor ist. Die Dauer des Besuchs spiele dabei keine entscheidende Rolle. Ein Essen könne 15 Minuten oder 4 Stunden dauern, entscheidend sei, wie es erlebt werde. Die durchschnittlichen Leistungen fallen oft nicht auf, es sind die negativen oder positiven Ausnahmen, die in Erinnerung bleiben. 

Fehr weiss das aus eigener Erfahrung: Als er in einem Edelrestaurant bei Schaffhausen essen ging, war die Empfangsdame am Telefon und liess ihn gefühlt 10 Minuten warten. Am Tisch angelangt, fragte er nach einer Weisswein-Empfehlung, ihre Antwort: «Ich trinke keinen Weisswein.»  

Er habe zwar nirgendwo ein besseres italienisches Kalbfleisch gegessen. Aber eine einzige Person könne die Leistung des gesamten Restaurants ruinieren, sagt Fehr. Er reagierte bei der Begleichung der Rechnung mit einem ausserordentlich hohen Trinkgeld.

Zur Begründung sagte er der Kellnerin: Er wolle, dass sie die nächsten Gäste besser behandle.

Herr Fehr, wie schaffen es Kellnerinnen und Kellner, freundlicher zu sein?

Sie müssen leistungsbereit sein. Und einen Anreiz dafür haben.

Genügt eine Umsatzbeteiligung als Anreiz dafür?

Es braucht viel mehr. Die Leistung in der Gastronomie entsteht durch Teamwork von der Reinigungskraft über die Küche bis hin zum Service. Alle müssen Hand in Hand zusammenarbeiten, das funktioniert nicht, wenn es Trittbrettfahrer gibt, die sich auf die Leistung der anderen verlassen. Nötig ist eine Vertrauenskultur im Betrieb.

Vertrauenskultur, was ist das?

Das zeigt ein Experiment bei einer Bäckereikette. Die arbeitete im Schichtbetrieb, und als dort Bonuslöhne eingeführt wurden, haben sich die Vorbereitungen für den Schichtwechsel sprunghaft verbessert: Die eine Schicht hat der nachfolgenden Schicht möglichst viel Arbeit abgenommen, im Vertrauen darauf, dass auch die anderen ihr Bestes geben.

Wie aber schafft ein Restaurant es, dass das gesamte Personal mitzieht?

Das setzt voraus, dass die Rekrutierung in einem Betrieb sorgfältig erfolgt. Ich darf nur leistungswillige Mitarbeitende einstellen. Das bedeutet, ich muss sie Probe arbeiten lassen und dann möglichst viele Rückmeldungen vom bestehenden Personal einholen. Wer da durchs Raster fällt, muss eine empathische Absage erhalten.

Auch bei der Absage soll ein Betrieb sich Mühe geben?

Ein gutes Restaurant gibt denjenigen, die eine Stelle nicht bekommen haben, einen Gutschein für ein Essen. Sie sollen sich als künftige Gäste fühlen. Und sie sollen keinen schlechten Ruf in der Branche über den Betrieb verbreiten.

Werde ich als Gast von einem auf Umsatz getrimmten Personal nicht ausgequetscht?

Die Entscheidung, wie viel ich zu zahlen bereit bin, folgt bei der Auswahl des Lokals. Wenn ich in ein Edelrestaurant gehe, bin ich bereit, mehr auszugeben als bei einer Burgerkette.

Wenn ich, sobald mein Glas leer ist, gefragt werde, ob ich noch ein zweites möchte, finde ich das aufdringlich.

Das ist guter Service. Gutes Personal ist darauf trainiert, die Bedürfnisse der Gäste individuell zu erkennen.

Funktioniert eine Umsatzbeteiligung auch in einem Imbiss?

Es muss kein Edelrestaurant sein. Was aber Voraussetzung ist: Das Geschäftsmodell muss es erlauben.

Ein Unternehmen wälzt mit einer Umsatzbeteiligung das Geschäftsrisiko doch ab. Wenn Lage, Ambiente oder Wetter nicht stimmen, nützt auch gutes Personal nichts.

Macht ein Restaurant keinen Umsatz, hilft auch eine Umsatzbeteiligung nicht. Dann bekomme ich so auch kein Personal. Ein Betrieb muss dafür schon gut laufen.

Spielt auch das Verhalten der Eigentümerin oder des Eigentümers eine Rolle?

Unbedingt. Das zeigt ein Beispiel eines Tiroler Skiorts. Dort wurden Umsatzbeteiligungen eingeführt, in der Corona-Krise das Personal dann aber entlassen. Die Folge war, dass die Leute dann lieber wieder in Betrieben ohne Bonus arbeiteten.