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Trendwende im WintersportSchweizer Junge fahren wieder Snowboard

Mona Danuser auf dem Crap Sogn Gion in Laax. Hier trainiert sie zurzeit täglich für Freestyle-Wettkämpfe.

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«Hey, ciao! Hab dich heute gar noch nicht fahren sehen.» Ein Snowboarder, Mitte 20, in ultrabreiter, olivfarbener Hose schnallt sich das Brett an die Füsse.

«Bin gerade erst gekommen, gleich gehts los», sagt Mona Danuser. Sie zieht sich die Brille ins Gesicht und brettert los.

Es ist kurz nach zehn auf dem Crap Sogn Gion in Laax. Die 22-Jährige kommt täglich hier hoch. An diesem Mittwoch ist es noch ruhig, Danuser und ihre Teamkolleginnen und -kollegen haben den Snowpark «No Name» praktisch für sich. 

Sie ist im Freestyle-B-Kader von Swiss-Ski und trainiert für Wettkämpfe auf der ganzen Welt. «Snowboarden bedeutet für mich vor allem Freiheit. In der Luft zu sein, einen Trick zu machen, einen neuen zu probieren und zu stehen – es ist ein unbeschreibliches Gefühl», sagt Danuser. 

Freiheit, Adrenalin – und gleichzeitig braucht es viel Disziplin. Danuser fährt in den Disziplinen Slopestyle und Big Air, wie man die grosse Schanze nennt. Möglichst schnell, möglichst hoch, möglichst verrückt. Dafür macht sie zuerst jeden Morgen zu Hause Yoga, wärmt sich auf, dann gehts auf den Berg und aufs Brett. Hier fährt sie während Stunden den Park runter, übt an ihren Sprüngen, an den perfekten Drehungen, der sicheren Landung. 

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In Laax haben die Snowboarder ihre Insel. In den Parks und auf den Pisten: keine Spur vom angeblichen Aussterben des Snowboardsports. Dabei ist immer vom «Fall einer Branche» die Rede. Oder davon, dass «Snowboards Schnee von gestern» seien.

Tatsächlich gingen die Snowboardverkäufe nach dem Hoch um die Jahrtausendwende über Jahre markant nach unten. Trendmarken wie Zimtstern verschwanden – weil die Bedeutung «des Snowboardens im Besonderen» im Heimmarkt nachlasse, wie es die Schweizer Firma 2018 begründete.

Was ist aus dem einstigen Rebellensport geworden?

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Die ersten «Snöber» in der Schweiz

Blick zurück, in eine Zeit, als Snowboarden noch total exotisch war. Oder wie es 1979 die «Schweizer Illustrierte» bezeichnete: «Der Snowboard ist eigentlich ein Surfbrett auf Schnee.» Damals erreichten immer mehr Bilder von den Brettern aus den USA die Schweiz. Immer mehr Boards wurden importiert. 

Die «Schweizer Illustrierte» berichtete im Dezember 1979 vom «Surfbrett auf Schnee».

Eines Tages Anfang der 1980er-Jahre sieht Simon Jacomet in Disentis einen Mann, der fürs Bündner Oberland etwas gar auffällig bunt gekleidet ist. Auf einem Snowboard.

Er selbst ist damals Mitte zwanzig, Skilehrer und Skilehrerausbildner. Er ist neugierig, sucht das Gespräch mit dem Mann und bestellt sich danach kurzerhand selbst sein erstes Snowboard. 

«Es hat sich eine neue Welt aufgetan, vor allem im Tiefschnee», sagt Jacomet. Die damaligen Ski von 2,20 Metern Länge sind für den Tiefschnee ungeeignet. Mit den Ski muss man immer die Falllinie suchen, mit dem Board kann man auf einmal Hänge anders befahren, das Gleiten intensiver erleben, den ganzen Berg «bespielen». Und auch auf der Piste reicht eine kleine Bewegung, und das Board dreht auf der Kante. Mit den Ski braucht es hingegen einen ganzen Bewegungsablauf, um die Kurve zu kriegen. 

Simon Jacomet wirbelt mit seinem Snowboard in den 80er-Jahren den Tiefschnee auf.

«Die Technik, wie man damals Ski fuhr, wurde von den Skischulen diktiert. Sie war sehr künstlich und schwierig zu lernen», sagt Jacomet. «Gegendrehen mit der Hüfte» ist das Credo, «etwas völlig Unnatürliches», sagt er und zeigt es mit einer Krümmung vor. Oder es hiess: Nur wenn das untere Schienbein wehtut nach dem Skifahren, ist man richtig gefahren. «So ein Seich.» In diesem Kontext eroberte das leichter zu fahrende Snowboard die Schweizer Skipisten und Bergflanken.

Dann wurde Snowboarden cool

Simon Jacomet spürte damals schnell, dass Snowboarden ein Trend wird. Deshalb wurde er 1986 einer der ersten Snowboardlehrer der Schweiz. Seine Klassen füllten sich mehr und mehr. Um die Jahrtausendwende erreichte der Trend seinen Höhepunkt. Nun haben so gut wie alle, zumindest die Jüngeren, ein Board unter den Füssen, weite Klamotten um Leib und Beine und Coolness in jeder Bewegung. 

Dass Snowboarden vom Sport zur Identifikationsbewegung einer ganzen Generation wurde, trieb den Boom zusätzlich voran. Man ist entweder ein langweiliger Skifahrer oder ein lässiger Snowboarder. «Nur schon mit einem Board in der Schlange stehen war cool, egal, ob man fahren konnte oder nicht», sagt Jacomet.

Simon Jacomet in seiner Skiwerkstatt in Rabius.

Er selbst bleibt immer beides, Ski- und Snowboardfahrer. Sein Ziel ist es, leichteres Skifahren zu ermöglichen. Nach seinem Kunststudium in Florenz arbeitete er für Völkl und Salomon. Später produzierte und designte er für Zai Luxus-Ski. Heute ist er selbstständig. Er entwickelt seine eigenen «Jacomet Ski». 

Die Carving-Ski erobern die Pisten

Das Board setzte die Skiindustrie unter Druck. Den ersten Carving-Ski baute die Firma Kneissl zwar schon 1991, «aber der Erfolg des Snowboards treibt die Skientwicklung noch mal wesentlich schneller voran», sagt Jacomet. 1997 wurde der Carving-Ski zum Standard-Ski. Er veränderte den Schneesport grundlegend. 

Ski sind nun nicht mehr über zwei Meter lange, dünne, gerade Bretter. Fortan werden sie taillierter und kürzer. Die Carving-Ski bringen wieder Leichtigkeit in den Skisport: «Es war einfacher, diese neuen Ski zu fahren, man konnte ähnliche Kurvengefühle wie beim Boarden erleben. Ausserdem fühlte man sich freier, weil die Füsse nicht mehr auf ein Brett geschnallt waren», sagt Jacomet. Viele bekamen so wieder Freude am Skifahren. Die Erfolgswelle des Snowboards ebbte ab. 

So ein «Alpenland-Ding»

Stirbt das Snowboarden ganz aus? «So ein Hafechäs!», sagt Isabel Jud, verantwortlich für die Snowboardausbildung bei Swiss Snowsports, dem Dachverband der Schweizer Skischulen und -lehrpersonen. «Das wird seit Jahren behauptet und ist so ein Alpenland-Ding, in den USA spricht keiner davon.» Dort nämlich fährt noch immer rund ein Drittel der Wintersportlerinnen und Wintersportler Snowboard.

In der Schweiz gibt es gemäss Jud keine verlässlichen Zahlen dazu. Nur Tendenzen. Etwa die Verkaufszahlen von Snowboards. Diese haben sich nach einer Talfahrt tatsächlich schon vor Jahren stabilisiert. 

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Eine weitere Tendenz, die Jud festmacht: «Unter Zehnjährige lernen wieder vermehrt Snowboarden.» Was daran liege, dass es heute viel besseres Material für die ganz Kleinen gebe als noch vor zehn Jahren. Ausserdem finde ein Generationenwechsel statt. «Die Alt-Snowboarderinnen haben jetzt Kinder, denen sie das Snowboarden beibringen wollen.»

Carola Bächi von Iceripper, einem Zürcher Snowboard- und Skateboard-Club, kann das nur bestätigen. Schon Fünf- und Sechsjährige interessierten sich fürs «Cruiser»-Programm. Sie trainieren übers ganze Jahr, einmal pro Woche in der Turnhalle auf dem Trampolin und mit kleinen Boards fürs Hallentraining. Im Winter gehen sie 17 Samstage nach Laax in den Schnee. 

«Diese Saison sind 42 Kids und Jugendliche bis 15 Jahre dabei, Tendenz steigend», sagt Bächi. Damit stösst der Club gar an seine Kapazitätsgrenze. 

Vom Rebellen- zum Spitzensport

Ausbildungschefin Isabel Jud beobachtet auch ein steigendes Interesse bei den Schneesportlehrerinnen und -lehrern, die sich mit Fachausweis ausbilden lassen. Dort entscheiden sich gemäss Jud heute rund 15 Prozent fürs Unterrichten im Snowboarden – doppelt so viele wie vor der Corona-Pandemie. 

«Der Coolness-Faktor hat also überhaupt nicht abgenommen», sagt Jud. «Snowboarden ist einfach nicht mehr so Punk wie früher. Du kannst nicht mehr Hardcore Feiern gehen und das Gefühl haben, du gewinnst am nächsten Tag einen Weltcup.» Das Leistungsniveau sei stark gestiegen, aus dem einstigen Rebellen- sei ein Spitzensport geworden, sagt Jud. «Aber es sind immer noch dieselben Typen auf den Brettern, deren Herz für den Freestyle pocht.»

Fährt sich auf dem Crap Sogn Gion warm: Freestylerin Mona Danuser.

Solche wie Mona Danuser. Nachdem sie den Snowpark zum sechsten Mal gefahren ist, sagt sie: «So, langsam bin ich warm.» Ob sie sich vorstellen könne, irgendwann auf die Ski umzusteigen? «Höchstens, dass ich in Zukunft öfter mal Ski fahre. Aber das Snowboarden ganz aufgeben? Niemals!»