Immerzu fressen

Spitzmäuse sind Peter Vogels Passion, das kleinste Säugetier auf Erden ist eine Spitzmaus. Von ihr erzählt der Zoologe heute in St. Gallen.

Rolf App
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Das kleinste Säugetier: Die Etruskerspitzmaus. (Bild: Universität Lausanne)

Das kleinste Säugetier: Die Etruskerspitzmaus. (Bild: Universität Lausanne)

Wie findet man ein Tier, das nur 1,8 Gramm schwer ist und nicht grösser als ein Hirschkäfer? In einem Kanton von der Grösse des Tessins? Peter Vogel hat es so gemacht: Da und dort hat er PET-Flaschen ausgelegt, die Mehlwürmer enthielten. In den Flaschendeckel bohrte er ein kleines Loch, damit kein anderes Tier das Futter wegschnappen konnte. Dann ersetzte er die PET-Flaschen durch Fallen, auch sie mit Mehlwürmern als Lockstoff.

Das kleinste Säugetier

Und siehe da, gleich an mehreren Orten ging ihm am 15. Oktober 2011 jenes Tier in die Falle, nach dem er 45 Jahre gesucht hatte: die Etruskerspitzmaus, das kleinste Säugetier der Erde, mit einem Herzen, das rasend schnell schlägt – so an die tausend Mal in der Minute.

Peter Vogel war glücklich. Spitzmäuse sind seine Passion, heute wird der Zoologe über sie in St. Gallen erzählen. Er wird dabei auch einem verbreiteten Irrtum entgegentreten müssen – dass Spitzmäuse Mäuse seien.

Spitzmäuse und Mäuse

Denn Spitzmäuse sind keine Mäuse. Mäuse nämlich gehören zur Ordnung der Nagetiere, zusammen mit Hamstern, Bibern, Meerschweinchen. Spitzmäuse dagegen sind Teil der Ordnung Insectivora, der insektenfressenden Säugetiere. Mit ihnen verwandt sind Igel und Maulwürfe.

Den fundamentalen Unterschied zu den Mäusen verrät das Gebiss. Mäuse besitzen im Unter- und im Oberkiefer ein Paar Nagezähne, sonst aber nur Mahlzähne. Damit können sie problemlos Pflanzen zerkleinern. Die Spitzmäuse dagegen nennen ein ausgewachsenes Fleischfressergebiss ihr Eigen, mit dessen Hilfe sie Käfer, Regenwürmer und Larven vertilgen. Auch viele Schädlinge stehen auf ihrem Speisezettel. Ihr Leben ist kurz, aber intensiv. Ihr Herz muss so rasch schlagen, weil die Körperoberfläche gross ist im Vergleich zum Gewicht. Diesen Körper warm zu halten erfordert viel Energie.

Opfer werden gelähmt

Beinahe unablässig fressen Spitzmäuse deshalb. Pro Tag vertilgen sie bis zum Dreifachen ihres Körpergewichts. Auch grössere Tiere als sie selber sind nicht vor ihnen sicher, zum Beispiel Mäuse, Kröten oder Fische. Kräftig beissen die Spitzmäuse zu, ihr Speichel enthält oftmals Gift und lähmt das Opfer.

Rund 320 Arten Spitzmäuse gibt es weltweit, davon kommen elf auch in der Schweiz vor. Fachleute wie Peter Vogel unterteilen sie in zwei Gruppen – die Rotzahnspitzmäuse und die Weisszahnspitzmäuse. Rotzahnspitzmäuse wie die Waldspitzmaus leben eher im Norden. Sie brauchen viel Energie und müssen gute Reserven haben. Deshalb findet sich in ihren Zähnen eingelagertes Eisen – was sie rot erscheinen lässt. Weisszahnspitzmäuse hingegen besiedeln südliche Regionen, Haus- und Etruskerspitzmaus zählen zu dieser Gruppe.

Auf der Hochzeitsreise

Das Leben der Spitzmäuse fasziniert Peter Vogel seit langem. Über sie hatte der mittlerweile pensionierte Professor an der Universität Lausanne bereits seine Dissertation geschrieben. Nach der Etruskerspitzmaus hatte er schon 1966 im Tessin gesucht – zusammen mit seiner Frau, auf der Hochzeitsreise.

Die Etruskerspitzmaus und ihre Verwandten, Vortrag von Peter Vogel im St. Galler Naturmuseum, heute 19 Uhr. Eintritt kostenlos.