Chaplins Welt am Genfersee

Die letzten 25 Jahre seines Lebens verbrachte Charlie Chaplin mit seiner Familie in der Schweiz. Ein Besuch in Corsier-sur-Vevey, wo am Sonntag das Museum «Chaplin's World» die Tore für das Publikum öffnet.

Denise Lachat/Corsier-Sur-Vevey
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Corsier-sur-Vevey, 1969: Charlie Chaplin an seinem 80. Geburtstag im Garten des Manoir de Ban, zusammen mit Tochter Victoria und seiner Frau Oona. (Bild: getty/François Gragnon)

Corsier-sur-Vevey, 1969: Charlie Chaplin an seinem 80. Geburtstag im Garten des Manoir de Ban, zusammen mit Tochter Victoria und seiner Frau Oona. (Bild: getty/François Gragnon)

Ein Mann mit weissem Haar und freundlichem Lächeln unter dem schwarzen Zylinderhut steuert seinen Wagen vorsichtig durch die Baustellenhektik zwischen Barrieren, Lieferwagen und Arbeitern auf das Gelände von «Chaplin's World». «Das ist Michael Chaplin, Charlie Chaplins ältester Sohn», ruft Franz Brun, der Gemeindepräsident von Corsier-sur-Vevey. Hier, in den Hügeln oberhalb von Vevey am Genfersee, hat Charlie Chaplin mit seiner vierten Frau Oona und ihren acht Kindern die letzten 25 Jahre seines Lebens verbracht. Im Manoir de Ban, einem herrschaftlichen Landsitz inmitten eines riesigen Parks, das jetzt frisch renoviert aus dem Frühlingsgrün leuchtet und ab Sonntag für das Publikum zugänglich ist.

Heute wird «Chaplin's World» den Medien vorgestellt; würde Chaplin noch leben, wäre er an diesem Tag 127 Jahre alt. Zu seinen Lebzeiten gaben sich hier Persönlichkeiten aus aller Welt die Klinke in die Hand. Gemeindepräsident Brun sagt, er kriege beim Betreten des Manoir jeweils eine sanfte Gänsehaut: «Churchill, Einstein, Gandhi, Michael Jackson: Sie alle waren da.»

Museum bringt Schwung ins Dorf

Fast 40 Jahre nach Chaplins Tod wird in Corsier-sur-Vevey nun eine Stätte zu Ehren der Filmikone eingeweiht. Ein Themenpark, wo die Fans in die Welt Chaplins eintauchen sollen. Für dieses Ereignis hat auch die Gemeinde mit ihren 3400 Einwohnerinnen und Einwohnern und einem ordentlichen Budget von knapp 19 Millionen Franken tief in die Tasche gegriffen. Fast sieben Millionen Franken investiert sie in den Umbau der Zufahrtsstrassen zum Museum mit Velo- und Fussweg, die Einrichtung der Bushaltestelle «Chaplin», Plätze für Reisecars sowie in die Verkehrsberuhigung des schmucken historischen Dorfkerns. Die Dorfneugestaltung ist zwar schon länger in Planung, wie Brun sagt. Die Realisierung des Museums hat aber Schwung ins Vorhaben gebracht in einer Gemeinde, in der Chaplin allgegenwärtig ist: Der öffentliche Park ist nach ihm benannt, im Eingang der Gemeindeverwaltung steht ein Chaplin-Zitat, bald ziert seine Statue den Kreisel.

Géraldine Chaplin lebt noch hier

Von der Familie selber wohnt nur noch Chaplin-Tochter Géraldine in Corsier-sur-Vevey. Auch sie profitiert von der legendären Diskretion, die Stars an der Schweiz schätzen: Géraldine Chaplin ist, wie Brun sagt, eine Dorfbewohnerin wie alle anderen auch. Die sportliche 71-Jährige geht im Dorfladen einkaufen, auf die Bank und auf die Post.

Der heute 85jährige Michel Volet, den wir im Café de la Place antreffen, hat dies schon bei Charlie Chaplin erlebt. Der weltberühmte Künstler habe auf dem Markt in Vevey Lebensmittel eingekauft und gerne im Café de la Place gegessen. Brun ergänzt, dass Chaplin so gut integriert gewesen sei, weil seine Kinder hier zur Schule gingen. «An den freien Nachmittagen spielten sie mit den Kollegen im Park des Manoir, wo früher auch ein Schwimmbad stand.» Nur einmal soll Chaplin die Gemüter gegen sich aufgebracht haben. Am traditionsreichen lokalen Schützenverein, der gleich neben Chaplins Grundstück seinen Schiessstand hatte, biss er sich aber die Zähne aus: Es knallte weiterhin beim Manoir, auch am Sonntag.

Chaplins letzte Ruhestätte ist im Vergleich zum Landsitz unspektakulär. Der 1977 Verstorbene liegt neben seiner Frau Oona in einem einfachen Doppelgrab auf dem Friedhof von Corsier-sur-Vevey, auf den Grabsteinen spiegeln sich die Spuren der Zeit.

16 Jahre bis zum Chaplin-Museum

Die letzten Chaplins, die den Landsitz in Corsier-sur-Vevey bewohnten, waren Michael Chaplin und sein Bruder Eugène mit ihren Familien. Finanzielle Schwierigkeiten führten aber zum Verkauf des Manoir de Ban an einen luxemburgischen Investor. 16 Jahre sind seit den ersten Ideen für ein Chaplin-Museum vergangen, wegen Finanzierungsproblemen und Einsprachen kam das Projekt nicht vom Fleck. Jetzt hat es geklappt: mit der französischen Compagnie des Alpes, die Anteile an mondänen Skiorten hält, diverse Freizeitparks betreibt und die Wachsfigurenkabinett-Marke Grévin besitzt. 50 Millionen Franken wurden in «Chaplin's World» investiert, 200 000 Besucher jährlich braucht es, damit das Unterfangen rentabel ist. Zum Vergleich: Die meistbesuchte Attraktion in der Waadt, das Schloss Chillon, zieht jährlich 300 000 Besucher an. Grosse Hoffnung liegt dabei auf der Kundschaft aus Asien: In den letzten Tagen waren gut drei Dutzend chinesische Reiseveranstalter zu Besuch. Das dürfte die zehn Gemeinden in der Region zuversichtlich stimmen, die als Garantinnen für das zinslose Darlehen über zehn Millionen Franken stehen, das der Kanton Waadt den Betreibern auf 25 Jahre hinaus gewährt.

Chaplin hätte zur Eröffnung sicher einen flotten Spruch bereit. Michel Volet im Café de la Place erinnert sich jedenfalls an einen geselligen Mann, der stets zum Scherzen aufgelegt war.

Chaplin: Schon als Kind auf der Bühne. (Bild: ky)

Chaplin: Schon als Kind auf der Bühne. (Bild: ky)