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Vielseitige Sinneszellen Die Zunge riecht ein bisschen mit

Ums Riechen kümmert sich die Nase nicht allein. Forscher haben auch auf der Zunge Sinneszellen gefunden, die auf Gerüche reagieren. Sie hoffen, dass die Entdeckung beim Kampf gegen schlechte Ernährung helfen kann.
Zunge eines Kindes beim Eisessen: Geschmack und Geruch bereits im Mund geprüft

Zunge eines Kindes beim Eisessen: Geschmack und Geruch bereits im Mund geprüft

Foto: Caroline Seidel/ picture alliance / dpa

In ihrer Mundhöhle haben Menschen einen Wächter, vielleicht etwas grobschlächtig aber effektiv. So kann man die Sache evolutionär jedenfalls sehen. Die Geschmacksknospen auf unserer Zunge unterscheiden, ob etwas süß, sauer, bitter oder salzig ist. Auch würzigen Geschmack ("umami") können sie feststellen, womöglich auch das Vorhandensein von Fett. Mit ihren Informationen schützen sie uns im Idealfall auch davor, dass wir über die Nahrung unabsichtlich giftige Stoffe zu uns nehmen.

Für den Spaß beim Essen sorgt aber nicht zuletzt die Nase. Mit Hilfe von Hunderten verschiedenen Geruchsrezeptoren auf deren Schleimhaut nimmt der Körper Gerüche war: Riecht das, was man da vor sich hat nach Limette, Lakritzbonbon oder Leberwurstbrot? Im Gehirn, so die bisherige Annahme, werden die Eindrücke von Zunge und Nase dann zusammengesetzt.

Doch Forscher um Mehmet Hakan Ozdener vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia (US-Bundesstaat Pennsylvania) stellen dieses Modell nun infrage. Im Fachmagazin "Chemical Senses"  berichten sie von einer Entdeckung, die sie kürzlich gemacht haben. Demnach gibt es auch auf der Zunge Rezeptoren für Gerüche. Und nicht nur das: Offenbar kann sogar eine einzelne Sinneszelle Geschmack und Geruch erfassen.

Dem Körper einfach Zucker vorgaukeln

Womöglich wird bereits im Mund im Zusammenspiel von Geschmack und Geruch ein erstes Lagebild davon erstellt, was wir da gerade vorhaben zu essen. Das vermuten jedenfalls Ozdener und seine Kollegen nach Experimenten mit Mäusen und Zellkulturen menschlicher Geschmackszellen.

"Unsere Forschung könnte bei der Erklärung helfen, wie Geruchsmoleküle den Geschmack beeinflussen", sagt Forscher Ozdener. "Das könnte zur Entwicklung geschmacksbasierter Geschmacksmodifikatoren führen, mit denen man gegen die Aufnahme von zu viel Salz, Zucker oder Fett kämpfen könnte, die wiederum mit ernährungsbedingten Krankheiten wie Fettsucht oder Diabetes in Verbindung gebracht werden."

Die Idee dabei: Mit Hilfe einer geringen Menge an Geruchsstoff könnte dem Körper vorgegaukelt werden, dass ein bestimmtes Lebensmittel süßer daherkommt als es in Wahrheit ist. In diesem Fall könnte dann einfach weniger Zucker zugesetzt werden. Ob das jedoch tatsächlich möglich ist, daran haben andere Forscher noch Zweifel. Es sei zu früh, das zu beurteilen, zitiert die britische Zeitung "Guardian"  etwa Charles Spence von der University of Oxford, der nicht an der aktuellen Forschungsarbeit beteiligt war.

Allerdings würden die Experimente dabei helfen, einige unerklärte Phänomene im Zusammenhang mit dem Geschmackssinn zu ergründen, erklärte Spence. Zum Beispiel, warum Probanden bei früheren Tests Gerichte auseinanderhalten konnten, die sich nur im Geruch unterschieden - selbst wenn sie nicht auf die Dienste ihrer Nase zurückgreifen konnten. "Es gibt da ein paar merkwürdige Dinge, die noch erklärt werden müssen", so Spence.

chs

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