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Sex-Prozess Drei Frauen richten über Berlusconi

Silvio Berlusconi lächelte bislang alle Probleme weg. Doch der bevorstehende Prozess könnte Italiens Ministerpräsidenten schwer zu schaffen machen. Drei Frauen sind Richterinnen in einem Schnellverfahren über seine angeblichen Sex-Affären mit Minderjährigen. Dem Regierungschef drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis.
Premier Berlusconi: "Nun halten Frauen über Dich Gericht"

Premier Berlusconi: "Nun halten Frauen über Dich Gericht"

Foto: FILIPPO MONTEFORTE/ AFP

Silvio Berlusconi

Eigentlich hätte es ein schöner Termin sein sollen, am Dienstagvormittag in der sizilianischen "Residenza degli Aranci". flog aus Rom ein, besichtigte die weitläufige Anlage in der Nähe von Catania, die in den kommenden Tagen bis zu 2000 jener Flüchtlinge aufnehmen könnte, die derzeit in Scharen von Tunesien übers Mittelmeer auf die kleine italienische Insel Lampedusa übersetzen. Über Menschlichkeit im Umgang mit den Geflohenen hätte der Ministerpräsident und Medienprofi reden können, oder auch darüber, dass Italien allein damit überfordert sei und die anderen EU-Staaten beispringen müssten.

Aber Berlusconi verweigerte sich den Fragen des Journalistenpulks, ließ keines seiner üblichen Witzchen hören, keinen Spott über all jene, die ihn kritisieren. Still flog er zurück nach Rom, während die für 11 Uhr angesetzte Pressekonferenz ohne ihn begann. Eine Eilmeldung aus Mailand hatte ihm den Tag gründlich vermiest. Vielleicht verleidet sie ihm weit mehr als diesen einen Tag.

In Mailand hatte nämlich kurz zuvor die Untersuchungsrichterin Cristina di Censo nach sechstägiger Prüfung dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben und ein Eilverfahren gegen Berlusconi, Silvio, geboren 29. 9. 1936 in Mailand, eingeleitet. Am 6. April, 9.30 Uhr, soll der Prozess vor der 4. Strafkammer des Mailänder Gerichts beginnen. Vorgeworfen wird ihm Amtsmissbrauch und sexueller Umgang mit einer minderjährigen Prostituierten. Die drei zuständigen Richter dieser Kammer sind - zufällig - allesamt weiblich. Ironisch kommentierte ein Leitartikler der angesehenen Kirchenzeitung "Famiglia Cristiana" (Christliche Familie): "Berlusconi, du hast dich der Frauen in übler Weise bedient, nun halten Frauen über dich Gericht".

Bis zu 15 Jahre Haft

Die Untersuchungsrichterin jedenfalls hält die von den Anklägern vorgelegten Beweismittel für ausreichend und weitere Ermittlungen und Vorverfahren für überflüssig. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft soll Berlusconi zahlreiche junge Frauen für Sex bezahlt haben, darunter auch die marokkanische Nachtclub-Tänzerin "Ruby", auch "Rubacuori" genannt, "Herzensdiebin". Die habe etliche Orgien im Hause Berlusconi mitgefeiert, so auch zwischen Februar und Mai vorigen Jahres. Damals war sie aber noch keine 18 Jahre alt.

Als "Ruby" wegen Diebstahls von der Polizei festgenommen wurde, soll Berlusconi höchstpersönlich telefoniert und ihre Freilassung gefordert haben. Sie sei die Nichte des ägyptischen Präsidenten Mubarak, habe er den Polizisten erklärt. Das habe er damals geglaubt, sagen seine Anwälte, er habe nur diplomatischen Schaden von seinem Land fern halten wollen. Die Staatsanwälte sprechen dagegen von Amtsmissbrauch. Auch die Erklärungen von "Ruby" und ihrem möglichen Freier, die bestreiten, je intim gewesen zu sein, überzeugen die Ankläger nicht. Sie legen Telefonmitschnitte von "Ruby" vor, in denen sie detailliert über sexuelle Kontakte berichtet. Im Falle einer Verurteilung drohen Berlusconi bis zu 15 Jahre Haft.

Umfragen: Minus zehn Prozent

Die Opposition fordert nun noch vehementer Berlusconis Rücktritt. Aber das interessiert den Regierungschef eher weniger. Die zerstrittene Opposition muss er nicht fürchten. Eher schon das eigene Lager, denn seine Partei- und Koalitionsfreunde werden mehr und mehr nervös. Für Berlusconi und seine engsten Getreuen bleiben die neuen Vorwürfe zwar durch nichts begründet, "Schlamm" vom politischen Gegner, Lügen von Kommunisten und denen gefälligen "roten Roben". Aber wenn, wie am vergangenen Wochenende, rund eine Million Frauen sich bei Demonstrationen gegen Berlusconi einfinden, hat das schon Auswirkungen. Denn Italiens Frauen sind stets die sicherste Klientel für den immer charmanten einstigen Staubsaugervertreter Berlusconi gewesen. Wehe, wenn diese Klientel sich abwendet!

Größere Verluste kann sich Berlusconi nicht mehr leisten. Im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen 2009 hat seine Partei - bei Umfragen mit des Typs "wenn Sie heute wählen müssten..." - bis zu zehn Prozent eingebüßt und rangiert gerade noch bei 27 bis 30 Prozent. Verloren hat der Regierungschef auch seinen alten Weggefährten Gianfranco Fini, dessen Partei für ungefähr fünf bis sechs Prozent gut ist. Und der letzte verbleibend Verbündete, Umberto Bossi von der separatistischen und ausländerfeindlichen Lega Nord, droht alle paar Tage mit Neuwahlen.

Noch zwei weitere Prozesse

Der peinliche Prozess um orgiastische "Abendessen" mit vielen jungen Damen, die mit Geld, Juwelen oder mietfreien Apartments entlohnt worden sein sollen, ist zudem nicht die einzige Verhandlung, der Berlusconi sich stellen muss. Am 28. Februar wird ein Prozess wieder aufgenommen, in dem es um Steuervergehen beim Verkauf von Filmrechten geht. Mindestens 470 Millionen Euro soll der Ministerpräsident dabei in "schwarzen Kassen" in Übersee versteckt haben. Und ab 11. März geht das Bestechungsverfahren um seinen ehemaligen Anwalt David Mills weiter. Dem soll Berlusconi, laut Anklage, über 400.000 Euro gezahlt haben, damit der in einem Verfahren falsch aussagt.

Bislang hat Berlusconi alle Vorwürfe einfach weggelächelt. Aber inzwischen wird sein Glamour blasser und seine Überzeugungskraft schwindet. Bei den Zockern in den Wettbüros fällt die Siegquote für den, der auf Berlusconis Rücktritt setzt. Lag sie einst bei 9:1, ist sie nun auf 4:1 abgerutscht. Dieselbe Tendenz gibt es in den Börsensälen: Da sackten die Kurse von Berlusconis Mediaset-Konzern am Vormittag um 1,7 Prozent ab.