Das Ende
Nachwuchs-Probleme: Nach vierzig Jahren schliesst die Glasmalerei an der Güterstrasse

Die Glasmalerei Schläppi in Basel schliesst. Die Ladenschliessung steht beispielhaft für die Situation einer ganzen Branche. «Die Glasmaler haben kaum Nachwuchs», sagt Tony Schläppi.

Olivia Meier
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Stolz hält Tony Schläppi eine kunstvolle Glasscheibe hoch – jetzt muss er aber die Glasmalerei seines Vaters nach über vierzig Jahren schliessen.

Stolz hält Tony Schläppi eine kunstvolle Glasscheibe hoch – jetzt muss er aber die Glasmalerei seines Vaters nach über vierzig Jahren schliessen.

Kenneth Nars

Der Ladenteil der Glasmalerei Schläppi ist klein und dunkel. Erst als sich die Augen an das Licht gewöhnt haben, wird eine Welt aus bunten Scheiben und klassischen Motiven sichtbar. Glasscheiben mit pompösen Familienwappen, kleinen Blumen und Fasnachtsfiguren füllen den Raum. Alles Werke von Johann Rudolf Schläppi, dem die Glasmalerei und der Laden gehören.

1955 kam er von Bern nach Basel. In die «Stadt der Kunst», wie sein Sohn Tony Schläppi erzählt. Zunächst hatte er ein kleines Geschäft an der Amerbachstrasse. Dann zog es ihn in die Dornacherstrasse. Er wollte jedoch immer etwas, das wirklich ihm gehört. Nicht nur zu Miete. Eine eigene kleine Welt, in der er seine Leidenschaft für die Kunst der Glasmalerei ausleben konnte. «Die Glasmalerei war sein Leben», so sein Sohn.

Also kaufte er in den 70ern die Liegenschaft an der Güterstrasse. Heute ist Schläppi 94 Jahre alt, er lebt in einem Pflegeheim in Binningen. Immer noch liebt er es, zu basteln und sich künstlerisch auszuleben. Bis vor zwei Jahren stand er noch selbst im Geschäft und erstellte kleine Wunder. Nun wird die Glasmalerei geräumt. «Die Zeiten der Familienwappen sind vorbei. Bald ist alles hier Geschichte», sagt Tony Schläppi. Es sei schrecklich, vor allem für seinen Vater. «Wenn er noch mal hier her kommen würde, wäre er sehr traurig.» Man habe ihm vorsichtig und langsam beibringen müssen, dass ein Teil seines Lebenswerks nun wegkommt, und der Laden und die Werkstatt, in der er einen Grossteil seines Lebens verbrachte, abgerissen werden.

Ein aussergewöhnlicher Künstler

Seinen Vater habe man in der ganzen Region gekannt. «Mein Vater ist sehr eigensinnig. Seine Werke waren aussergewöhnlich», so Tony Schläppi. Er sei schon als Kind oft im Atelier gewesen, es habe ihn fasziniert. Mit dem Ertrag der Werkstatt und des Ateliers sei die Familie immer gut versorgt gewesen. Auch Tony Schläppis Mutter half oft mit.

Am Montag und Dienstag hat Tony Schläppi zum letzten Mal die alte wacklige Tür des Ladens geöffnet und einen Flohmarkt veranstaltet. Alles, was jetzt noch übrig ist, wird vernichtet. Die Ladenschliessung steht beispielhaft für die Situation einer ganzen Branche. «Die Glasmaler haben kaum Nachwuchs», sagt Tony Schläppi. Mit dem Handwerk der Glasmalerei geht nicht nur die Kunst selbst verloren. «Mein Vater verbrachte Stunden in Archiven und Bibliotheken,», so Schläppi. Bei den Familienwappen wurde die gesamte Geschichte der Familie rausgesucht, um auch ja den richtigen Meier, Müller oder Vogel zu erwischen. Im Zeitalter des Internets ist dies kein Thema mehr. Die riesigen Bücher, die in der Werkstatt in mehreren Regalen zu finden sind, braucht es nicht mehr.

Obwohl sie sehr wertvoll sind, wie der gesamte Inhalt der Werkstatt. Nur schon die Glasplatten, die in der grossen Werkstatt im hinteren Teil des Hauses aufbewahrt sind, kosten tausende Franken. Alle Farben sind hier zu finden. Blautöne, die, wenn das Licht durchscheint, die Farbe des tiefen Meeres haben. Gelbe Platten, neben denen die Sonne ganz krank aussieht, und die unterschiedlichsten Rottöne, die bei Sonneneinfall wie Flammen durch den Raum züngeln. Sie alle werden vernichtet. Die wenigen Glasmalerei-Geschäfte, die es in der Schweiz noch gibt, haben sich bereits bedient.

In der Werkstatt herrscht eine eigenartige Atmosphäre. Da eine offene Tube mit Leim, dort ein paar verstreute, ungewaschene Pinsel. Alles liegt noch so, als hätte Johann Rudolf Schläppi seinen Arbeitsplatz nur kurz zum Mittagessen verlassen. Nur wiederkommen wird er nicht.