Sexualisierte Frauen in Videospielen? Wir müssen reden

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Kolumne Antonia Dreßler - Redakteurin
Sexualisierte Frauen in Videospielen? Wir müssen reden
Quelle: Shift Up

Redakteurin Toni regt sich nicht nur über sexualisierte Frauendarstellungen auf, sondern vor allem über die vergiftete Diskussion zum Thema.

Relevanz

Aber nur weil meine Meinung nicht wichtiger ist als die von anderen Leuten, ist sie nicht irrelevant. Vor allem, weil Spieledirektor Hyung-Tae Kim in einem Interview mit Gamesradar einige Sachen von sich gegeben hat, die mich eher an einen Redneck haben denken lassen.

Zu den Aussagen zählt, dass man auf die Rückseite der Protagonistin Eve besonders viel Zeit und Mühen verwendet hat, da man diesen Teil natürlich am meisten sieht.

Das klingt erst einmal nicht verwerflich, da hat der gute Mann ja auch völlig recht. Immer wieder störe ich mich beispielsweise an der zumeist nicht realistischen Animation von Pferdehintern in Spielen, wenn ich doch genau das die überwiegende Zeit anschauen muss.

Herrn Hyung-Tae ging es allerdings nicht um die realistische Darstellung, sondern um eine idealisierte Darstellung - die besonders ansprechend ist. Normales will er nicht sehen, immerhin handele es sich bei seinem Spiel um Entertainment für Erwachsene.

Hätte das Interview an dieser Stelle aufgehört, hatte ich einen Haken drangesetzt und Stellar Blade als spielbaren Softporno abgestempelt. Das ist zumindest das, was "Spiel für Erwachsene" für mich bedeutet. Doch das ist nicht die Schaffenshöhe, die dem Gamedirektor von Shift Up genügt.

Im gleichen Interview geht der er stattdessen auf die wertvolle künstlerische Leistung ein, die mit einem entsprechenden Charakterdesign einhergeht: "Das absichtlich glamouröse Design von Charakteren wie Eve erfordert mittlerweile Mut".

Frau von Hinten Quelle: Shift Up Für mich klingt das, als ob man sich als Märtyrer hinstellen will, weil man sich traut, Frauen als Sexobjekte darzustellen. Offensichtlich bekommt der Game Director also mit, dass viele nicht gut finden, was er macht. Und ich stehe mit meiner Meinung vielleicht gar nicht so allein dar.

Was ist also der Unterschied zu den Leuten, deren Kritik ich absolut ungerechtfertigt finde? Non-binäre Pronomen in einem Spiel haben keine Auswirkung auf die Repräsentation meiner Person in einem Spiel, außer dass meine demographische Gruppe weniger dargestellt wird.

Ich will mir nicht herausnehmen, ein Urteil über die Darstellung anderer Gruppen zu fällen, ich habe eine ganz andere Lebensrealität - ich habe aber eine Meinung dazu, wie mein Geschlecht abgebildet wird oder vielmehr die demographische Schnittmenge, in der ich mich befinde.

Betroffenheit

Und das ist am Ende auch, was sich so falsch anfühlt. Dass ich mich als Frau in Stellar Blade repräsentiert fühle, aber meine Repräsentation derartig übersexualisiert dargestellt ist, dass sie zur Vorlage für feuchte Träume degradiert.

Das passiert mit männlichen Charakteren auch, wird aber viel weniger angekreidet und von männlichen Spielern in der Regel hingenommen. Gelegentlich halten Figuren wie He-Man oder Kratos als Argument her, um darauf zu verweisen, dass es Frauen angeblich gar nicht schlechter haben als der Rest.

Der Unterschied liegt aber nicht in den Spielen und wie Charaktere dort dargestellt werden. Der Unterschied liegt darin, dass Frauen keine Männer sind - zumindest werden sie in der Gesellschaft nicht genau gleich wie Männer behandelt.

Historisch sind die Erfahrungen anders, genauso wie im Alltag 2024:

Mädchen schaut in die Kamera Quelle: Shift Up Übergroße Shirts auf Zugfahrten über dem Party-Outfit, Schlüssel in der Hand beim Nachts-nach-Hause-laufen und die Frage danach, was man anhatte, während man sich im Gerichtssaal gegen seinen Täter auflehnt.

Ich unterstreiche das mit einem Satz aus meiner jüngeren Vergangenheit: "Wenn du nackt an einem FKK-Strand liegst, brauchst du dich nicht wundern, wenn du Kerle anlockst und die aufdringlich werden".

Ah ja, stimmt. Die können ja auch nix dafür, wenn ich nichts anhabe. Das klingt so, als ob Männer Tiere wären, die sich nicht für ihre Instinkte entschuldigen müssen.

Spinnen wir diese Art zu denken doch mal weiter: Ist doch klar, dass ein Hund beißt, wenn ein Kind vor ihm herumläuft - theoretisch selbst schuld! Trotzdem sehen die Konsequenzen anders aus: Wir ziehen Hunden einen Maulkorb über und manchmal werden sie sogar eingeschläfert. Die Alternative, also die gebissenen Kinder einzusperren, kann für jemanden mit gesundem Menschenverstand kaum die Lösung sein. Mit der gleichen Logik - Achtung, ganz große Sarkasmuswarnung - müssen Täter dann wohl konsequent kastriert werden, wenn das Pfefferspray nicht mehr ausreicht. Oder besser noch, wir verpassen allen Kerlen, von denen man nicht weiß, ob sie auffällig werden, einen stählernen Keuschheitsgürtel.

Das wäre natürlich bescheuert. Zum einen sind nicht alle Täter Männer, zum anderen sind Menschen keine Hunde und können über ihre Instinkte hinaus Entscheidungen treffen. Wir sollten es dementsprechend aber auch sein lassen, zu entschuldigen, wenn jemand übergriffig handelt - das ist niemals in Ordnung.

    • Kommentare (140)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Supie12 Anwärter/in
        Optik ist nicht unwichtig, und ich denke, wenn du weniger gut aussehen würdest, dann würde das verlinkte Video weniger oft angeschaut.
      • Von Supie12 Anwärter/in
        Optik ist nicht unwichtig, und ich denke, wenn du weniger gut aussehen würdest, dann würde das verlinkte Video weniger oft angeschaut.
      • Von Toni Community-Managerin
        Zitat von Klauzzi
        Zunächst solltest du mal selbst klären wieso du Probleme mit der Darstellung sexueller Inhalte in Videospielen hast.
        Zitat von Waldek777
        Du ziehst dich auf eine bestimmte Art an, weil du dich dann attraktiv findest. Wenn ein Designer eine virtuelle Figur anzieht, dann macht er es, damit sie "vögelbar" wirkt?
        Zitat von Waldek777
        Wenn es um das Thema Gewalt gegen Frauen geht, welches du anschneidest, so kenne ich keine Studie, die einen Zusammenhang zwischen dieser Gewalt und Videospielen bestätigt und sehe selbst keinen solchen. Was man so über die Täter liest, verfügen die meisten wahrscheinlich weder über Playstation noch einen Gaming PC. Mir würde da sogar ein Zusammenhang zwischen Shootern und Amokläufen plausibler erscheinen.
        Ich zitiere hier einfach ein paar Sachen: Das ist alles in der Kolumne oder in meiner letzten Antwort drin.
        Also wirklich explizit, warum ich Probleme mit dieser Art von Darstellung habe - dass es dem Künstler am Ende natürlich überlassen ist, was er mit seiner Figur macht - und im Forum sage ich auch nochmal explizit, warum ich die Studienlage nicht anspreche: Weil es nicht Gegenstand der Kolumne ist.

        Es ist und bleibt ein Meinungsbeitrag zu einem Thema, das mich persönlich berührt und bewegt. Ich schreibe dort extra rein, dass ich alle anderen Meinungen auch legitim finde und jedem gönne, das Spiel gut zu finden. Andersherum lese ich oft von Spielen, die "woke" sind und deswegen Leuten auf die Nerven gehen (den Vergleich ziehe ich auch im Artikel), weil Gaming für sie nicht politisch ist, die mir dafür aber gefallen und Spiele für mich eben auch etwas Politisches sind.
        Das ist aber jedem selbst überlassen, wie er die Sachen empfindet, sobald es um Meinungen und nicht um Fakten geht.

        Fakt ist bei Stellar Blade doch erst einmal nur, wie die Figur designt ist und was der Entwickler im Interview gesagt hat - wenn das jemand total feiert, wäre ich zwar versucht, eine Diskussion anzufangen, aber Menschen sind halt nicht alle gleichgeschaltet. Und ich respektiere andere Meinungen genauso, wie ich das für mich verlange.
      • Von sporkabilly Stille/r Leser/in
        schöner artikel mit einer tollen perspektive. danke dafür.

        ein heterosexueller mann
      • Von Waldek777 Anwärter/in
        Zitat von Toni
        Es ist ein unterschied, ob ich mich sexy anziehe, weil ich es persönlich schön finde, oder ob jemand anderes eine Figur anzieht, weil er sie so vögelbarer findet.
        Der Unterschied: ich finde mich attraktiv, aber reduzier mich nicht auf mein Vermögen Sex zu haben

        Das geht auch in die lange Debate hier rein, was der Unterschied zwischen Attraktivität und Sexualisierung ist. Wenn ich jemanden sexualisiere, dann ist es irgendwo auch eine Objektifizierung. Wenn ich aber die Person als ganzes wahrnehme, dann ist das keine Sexualisierung.
        Du ziehst dich auf eine bestimmte Art an, weil du dich dann attraktiv findest. Wenn ein Designer eine virtuelle Figur anzieht, dann macht er es, damit sie "vögelbar" wirkt? Das ist einfach eine Unterstellung. Warum sollte ein Designer nicht in ästhetischen Kategorien denken können? Gerade bei einem Designer erscheint das doch naheliegend. Ansonsten könnte man sich auch an antiken Skulpturen nackter oder halbnackter Körper stören und da auch deine Argumente vorbringen. Der David von Michelangelo: sieht er attraktiv oder vögelbar aus? Hängt vom Betrachter ab, würde ich sagen, nicht vom Schöpfer.

        Wenn jemand eine virtuelle Figur als Person wahrnimmt, dann hat dieser jemand den Bezug zur Realität verloren. Klar gibt es auch Spiele, für die glaubhafte Figuren wichtig sind, aber ob das Spiel, über das wir hier reden dazu gehört und in der gleichen Liga mitspielen will wie The Last of Us, das wissen wir noch gar nicht, es scheint aber auf den ersten Blick unwahrscheinlich.

        Wenn es um das Thema Gewalt gegen Frauen geht, welches du anschneidest, so kenne ich keine Studie, die einen Zusammenhang zwischen dieser Gewalt und Videospielen bestätigt und sehe selbst keinen solchen. Was man so über die Täter liest, verfügen die meisten wahrscheinlich weder über Playstation noch einen Gaming PC. Mir würde da sogar ein Zusammenhang zwischen Shootern und Amokläufen plausibler erscheinen.

        Ich finde Entwicklungen auf Instagram und TikTok im Hinblick auf das dort präsentierte Frauenbild viel bedenklicher und diese Entwicklungen werden auch von Frauen mitpropagiert und wirtschaftlich ausgenutzt. So eine Katja Krasavice verkauft ihre Musik, ohne jegliches Talent dafür zu haben, dafür aber mit aufgespritzen Lippen und Busen- und Po-Op. Problematisch finde ich da, wenn jemand wie sie zum Vorbild für junge Mädchen wird. Eine Kim Kardashian ist vor allen wegen einer Sache berühmt, ihres Hinterteils. Und sie lebt sehr gut davon. Sex sells. Muss man nicht gut finden. Kann man drüber reden. Ist aber nun mal so und wird sich auch wahrscheinlich niemals ändern, zumindest nicht in freien Gesellschaften, in denen Menschen die Freiheit haben ihre eigenen, auch dummen Entscheidungen zu treffen.

        In einem Punkt, den du im Artikel benennst gebe ich dir Recht. Es ist lächerlich beim Design der weiblichen Figur vom dafür erforderlichen Mut zu sprechen. Es war noch nie so einfach, ein mutiger Held zu sein. Mancher hält sich heutzutage schon dafür, wenn er das Wort "Indianer" oder "Zigeunerschnitzel" sagt.
      • Von Klauzzi Spiele-Novize/Novizin
        Zunächst solltest du mal selbst klären wieso du Probleme mit der Darstellung sexueller Inhalte in Videospielen hast. Der Homo Sapiens ist das sexualisierteste Wesen auf diesem Planeten. Es gibt kaum Tiere mit größeren Geschlechtsteilen in Vergleich zu ihrer Größe. Des weiteren ist die Frau fast Non Stop empfangsbereit, auch das gibt es bei Tieren nur sehr selten. Sex gehört zum Menschen wie die Luft zum Atmen. Das auszugrenzen führt zu aggressiven gestörten Gesellschaften. Die Gesellschaften von Bonobos sind viel friedlicher als unsere. Unsere gleicht momentan eher einer Gesellschaft von Schimpansen. Ich kann die Debatte um die Sexualisierung der Frau nicht verstehen. Ich verstehe eher nicht wieso der Mann nicht ebenfalls sexualisiert wird. Frauen scheinen Männer nicht im dem Maße sexuell anregend zu finden wie Männer Frauen. Und das macht das Ganze ziemlich kompliziert. Wie man heute weiß ist das Zentrum für Sexualität im Gehirn bei Frauen kleiner als bei Männern. Ich glaube heute deshalb, das Frauen und Männer einfach nicht zusammen leben können. Oder nur zu dem Preis das sich einer dem anderen anpassen muss. Ich bin dazu schon lange nicht mehr bereit und lebe schwul :-)
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