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Kleine Räuber mit sagenhaftem Appetit

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Eine Waldspitzmaus,gut unterscheidbar von anderen Spitzmäusen an der Farbe und den im Balg versteckten Gehörmuscheln.  hoheneder
Eine Waldspitzmaus,gut unterscheidbar von anderen Spitzmäusen an der Farbe und den im Balg versteckten Gehörmuscheln. hoheneder © OVB

Auch wenn sie ähnlich aussehen: Spitzmäuse sind mit den eigentlichen Mäusen nicht verwandt. Sie gehören nicht zu den Nagern, sondern haben ein echtes Raubtiergebiss. Sie sind reine Fleisch- und Insektenfresser.

Rosenheim – Die Familie der Spitzmäuse ist die größte aller Insektenfresser-Familien weltweit. 250 Arten sind in 22 Gattungen zusammengefasst. In Deutschland kommen acht Arten vor. Die Feld-, Garten- und Hausspitzmaus gehört zur Unterfamilie der Weißzahnspitzmäuse (Crocidura). Eine zweite Unterfamilie sind die Rotzahnspitzmäuse, zu der Waldspitzmaus, Alpenspitzmaus und Zwergspitzmaus gehören. Sie haben tatsächlich dunkelrote Zahnspitzen. Eine dritte Gattung (Neomys) stellen Wasserspitzmaus und Sumpfspitzmaus dar. Ihnen allen gemeinsam ist ihre enorme Gefräßigkeit.

Unsere einheimischen Spitzmäuse sind sehr klein. Die meisten Arten erreichen eine maximale Körpergröße von acht Zentimetern. Die Zwergspitzmaus misst nur 4,5 bis 6 Zentimeter (ohne Schwanz) und wiegt nur drei bis sechs Gramm.

Sie haben alle einen spitz auslaufenden flachen Schädel und meist einen langen Schwanz. Das Fell ist dicht und samtartig, ähnlich dem eines Maulwurfes. Die Färbung ist – je nach Art – etwas unterschiedlich von fast schwarz bis bräunlich, oft mit einer weißen Unterseite. Die Augen sind winzig und kaum zu sehen.

Ständig auf Beutesuche

Bei der Jagd auf Beute scheint der Gesichtssinn wenig Rolle zu spielen. Dafür sind der Tastsinn und das Gehör sehr gut entwickelt. Unentwegt schnüffelnd sucht die Spitzmaus in allen Ecken umher, ständig nach Beute ausschauend. Das ist auch notwendig: Spitzmäuse haben einen sagenhaften Stoffwechsel. Je nach Art braucht sie als Futter 75 bis 100 Prozent ihres eigenen Körpergewichtes. Wenn sie Junge versorgen müssen, kann sich die Futtermenge auf das Doppelte des Körpergewichtes steigern.

Spitzmäuse halten keinen Winterschlaf, sodass auch in der kalten Jahreszeit der Motor für den Stoffwechsel auf Hochtouren gehalten werden muss, um nicht den Kältetod zu erleiden. Die Herzfrequenz liegt deshalb bei unglaublichen 800 bis 1000, bei Flucht sogar bei bis zu 1200 Schlägen in der Minute. Das ist nur mit einem Herz zu schaffen, das überproportional groß ist im Verhältnis zum Körpergewicht. Bei Spitzmäusen ist es zweimal so groß wie das aller anderen Säugetiere weltweit.

Spitzmäuse sind Fleischfresser. Nur selten fressen sie pflanzliche Kost. Sie bevorzugen Regenwürmer, Spinnen, Asseln, Insekten und Larven, aber auch Aas. Vor Spitzmäusen müssen sich auch Wirbeltiere vorsehen, die wesentlich größer als sie selber sind, wie Frösche, Eidechsen oder Fische. Zur Jagd werden alle feinen Sinne eingesetzt. Erst 1974 wurde von einer amerikanischen Universität entdeckt, dass Spitzmäuse zur Verständigung, Orientierung und zum Beutefang die Echoortung einsetzen.

Zwei Arten sollen stellvertretend für die anderen Spitzmäuse eingehender vorgestellt werden: Die Waldspitzmaus (Sorex araneus) lebt gern in feuchten Wäldern und sumpfigen Wiesen, aber auch in trockenen Gebieten. Sie ist fast immer aktiv, deswegen kann man sie auch oft am Tag beobachten. Mein kleiner Jack-Russel-Terrier, der sonst verrückt auf Mäuse ist, beißt zwar die kleine Spitzmaus tot, lässt sie dann aber verächtlich liegen. Bei einer normalen Maus kann ich ihn kaum davon abhalten, sie zu fressen. Vermutlich liegt das an dem moschusartigen Geruch und dem strengen Geschmack, der von den Drüsensekreten ausgehen.

Zwischen April und Oktober ist Fortpflanzungszeit. Die Tragzeit beträgt je nach Art 21 bis 31 Tage. Das Weibchen gebiert drei bis zehn nackte Junge in ihrem weich gepolstertem Nest. Sie haben ein Geburtsgewicht von 0,5 bis ein Gramm. Mit drei Wochen öffnen sie die Augen und mit rund 30 Tagen verlassen sie ihr Nest für immer. Spitzmäuse bringen mehrmals im Jahr Nachwuchs zur Welt.

Eine Besonderheit ist die „Spitzmauskarawane“. Die Mutter geht voran, eines der Jungen verbeißt sich an der Schwanzwurzel des Weibchens und das nächste Junge wiederum an dem vorangehenden Geschwisterchen, sodass eine Karawane mit zehn bis elf Tieren entstehen kann, um in ein Versteck zu gelangen.

Borsten am Fuß helfen beim Schwimmen

Einen besonderen Lebensraum hat sich die Wasserspitzmaus (Nomys fodiens) auserkoren. Ob es ein kleiner Wassergraben ist, ein breiter Bach, ein Fluss, ein kleiner Weiher oder Moortümpel – überall ist sie häufig anzutreffen. Sie ist mit bis zu 22 Gramm und einer Körperlänge von bis zu 9,5 Zentimetern die größte unserer heimischen Spitzmäuse. Tragzeit und Jungenaufzucht sind sehr ähnlich der Waldspitzmaus. Für ihre Tauchgänge besitzt sie an den Fußrändern Borstensäume, die ähnlich wie Schwimmhäute wirken und die Schwimmbewegungen unterstützen. Die Wasserspitzmaus jagt fast nur unter Wasser. Beim Tauchen wird die Luft zwischen den Grannenhaaren und dem dicht behaarten Balg festgehalten. Somit hat die Maus einen enormen Auftrieb und ist isoliert gegen die Kälte. Zugleich wird ihr Pelz nie nass und sie steigt stets trocken aus dem Wasser.

Die Wasserspitzmaus frisst vor allem wirbellose, im Wasser vorkommende Insekten und deren Larven wie Gelbrandkäfer oder Libellen. Sie verschmäht aber auch nicht Wirbeltiere wie kleine Fische, insbesondere kleine Schleien. Sind keine Fische vorhanden, ist eine ihrer Hauptnahrung Wasserschnecken.

Speichel wirkt als Nervengift

Wie können die kleinen Tiere solch große Beute niederringen? Ihr Geheimnis ist der nervengiftige Speichel, der durch den Biss in die Blutbahn ihres Opfers gelangt.

Spitzmäuse werden meist ein bis zwei Jahre alt. Durch eine hohe Vermehrungsrate gleichen sie hohe Verluste aus, die ihnen vor allem Eulen, Schlangen und Raubfische beibringen. Es scheint so, dass diese Feinde keine allzu großen Gourmets sind wie unsere heiklen Katzen.

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