Waldsassen
22.07.2021 - 16:22 Uhr
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Die Orgel der Basilika in Waldassen: Analoger Surround-Sound vom Feinsten

Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021. Grund genug, fünf besondere Orgeln in der nördlichen und mittleren Oberpfalz und deren Organisten zu besuchen. Nach St. Martin (Amberg) im Juni geht die 2. Reise nun nach Waldsassen.

Andreas Sagstetter rückt die Jann-Orgel mit einem alljährlichen Konzertprogramm ins rechte Licht. Eine Orgel mit zwei 6-manualigen Spieltischen ist einmalig in Deutschland.

Schon beim ersten Schritt in die 82 Meter lange Stiftsbasilika in Waldsassen fallen Orgelpfeifen ins Auge: Vorne links und rechts die „Prospekte“ der Chororgel, auf der Westempore das wie eine barocke Theaterszene inszenierte prachtvolle Gehäuse der Hauptorgel. Es ist bevölkert von himmlischen Heerscharen bestens gelaunter streichender, blasender und paukender Engel.

Orgelpfeifen immer und überall

Organist Andreas Sagstetter verrät, dass aber nur wenige der 7720 Orgelpfeifen tatsächlich zu sehen sind. Viele stehen dagegen versteckt in oder hinter den Gehäusen, der linke Teil der Chororgel reicht gar bis unter das Gewölbe: Chamaden (waagerecht liegende "spanische Trompeten"), Fernwerk und auch ein Glockenspiel führen dort ihr unsichtbares, mehr oder weniger lautstarkes Leben: Direkt neben den fast schon Waffenschein-pflichtigen Chamaden sind gute Ohrenschützer Pflicht.

Regie über diese zehn Teilwerke führt der Organist an einem der beiden identischen Spieltische mit je sechs Tastenreihen für die Hände und einer für die Füße. „Selbst nach über einem Jahrzehnt entdecke ich immer wieder neue faszinierende Klangmöglichkeiten“, beschreibt Sagstetter die Faszination an der Waldsassener Orgel. Und nicht nur ihn, das Instrument zieht namhafte Organisten geradezu magisch an. Orgel-Größen wie Günther Kaunzinger, Harald Feller, Edgar Krapp oder Franz Lehrndorfer spielten schon in Waldsassen. Aus dem Ausland kamen die Franzosen Marie-Claire Alain, Jean Guillou, Olivier Latry, Gaston Litaize, der Niederländer Ben van Oosten, der Brite Simon Preston oder Stephen Tharp aus den USA.

Mehr als 25 Tonträger- und Rundfunkproduktionen (allein 12 von Kaunzinger) sind auf der Jann-Orgel eingespielt worden – so viele wie auf keiner anderen Oberpfälzer Orgel.

Seine derzeitige Klanggestalt besteht seit 1989, sie geht zurück auf die Zusammenarbeit von Günther Kaunzinger, Chordirektor Anton Zimmert, Organist Otto Rieger mit dem renommierten Orgelbauer Georg Jann (1934-2019). Ganz nebenbei entstand dabei die zweitgrößte Orgel der Oberpfalz – nach der im Dom zu Regensburg. „Jann hat eine Orgel mit Schwerpunkt auf der symphonischen Musik ab Mitte des 19. Jahrhundert gebaut. Erstaunlich, wie homogen alle 103 Register zusammen wirken ohne ihre Persönlichkeiten zu verleugnen. Ein perfektes Klang-Team für Franck, Widor, Messiaen oder Reger.“

Klarheit, Kraft und Beweglichkeit

Die Klangpalette reicht von fast unhörbar (Fernwerk, Schwelljalousien geschlossen) bis strahlend und aus voller Brust brausend und schmetternd. „Auf den besten Plätzen zwischen Emporen- und Chororgel sitzt der Hörer quasi mitten in der Orgel und erlebt einen fantastischen Surround-Klang“. Es braucht Pflege, dass dieser Glanz nicht verblasst: Vor ein paar Jahren wurde die Orgel generalüberholt von den Orgelbauern Mühleisen (Leonberg) und Markus Bäumler (Rothenstadt), der auch als „Notfall-Sanitäter“ zur Verfügung steht.

Der Organist bekommt es bei 45 Meter Entfernung mancher Pfeifen vom Spieltisch aber auch mit der physikalischen Akustik zu tun: Es dauert 130 Millisekunden, bis der Schall nach Anschlag der Taste das Ohr des Spielers erreicht. „Bei schnellen Passagen habe ich das deutliche Gefühl, voraus zu spielen“ (Sagstetter). Für einen Nicht-Profi wäre das ganz schön irritierend.

Es geht freilich nichts darüber, die Orgelanlage live zu hören: Die nächste Gelegenheit ist am Sonntag, 1. August um 17 Uhr das alljährliche Konzert des Titularorganisten Günther Kaunzinger.

Kirchenmusik in Waldsassen

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Amberg22.06.2021
Die Chororgel (hier die "Epistelorgel" rechts mit 18/II/P) fügt sich harmonisch in die Nische über dem Chorgestühl ein.
Die Hauptorgel im prachtvollen Gehäuse von Johann Konrad Brandenstein (1738) besitzt eine bemerkenswert elegante und feinfühlige mechanische Spieltraktur. Eine Besonderheit in unserer Region ist das Rückpositiv in der Brüstung.
Info:

Die Orgel(n) der Stiftsbasilika in Waldassen in Zahlen

  • 7720 Pfeifen (von 10 Metern bis 5 Millimetern klingende Länge)
  • 103 Register. Spieltrakturen: Hauptorgel mechanisch, Chororgel und Registertrakturen elektrisch.
  • 45 Meter sitzt der Organist von der am entferntesten Pfeife. Das sorgt für Schallverzögerung
  • 42 Kubikmeter Luft strömen pro Minute durch die Orgel.
  • 35 Tonnen wiegt alleine die Hauptorgel
  • 3 Standorte sind in der Basilika verteilt
  • 2 Spieltische erlauben das Spiel mit je sechs Manualen, verbunden mit Glasfasertechnik.
 
 

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