Kommentar

Der Streit um die Sammlung Bührle nimmt bizarre Formen an

Miriam Cahn will ihre Werke aus dem Kunsthaus zurückziehen, die Stiftung Bührle beharrt auf ihrer Position: Das ist ein Affront gegen die Öffentlichkeit.

Thomas Ribi 62 Kommentare
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Die Künstlerin Miriam Cahn will ihre Werke aus der Sammlung des Kunsthauses abziehen: Der Streit um die Sammlung Bührle wird zum Austausch von Drohgesten. Im Bild Werke von Miriam Cahn in einer Ausstellung des Kunstmuseums Bern.

Die Künstlerin Miriam Cahn will ihre Werke aus der Sammlung des Kunsthauses abziehen: Der Streit um die Sammlung Bührle wird zum Austausch von Drohgesten. Im Bild Werke von Miriam Cahn in einer Ausstellung des Kunstmuseums Bern.

Peter Klaunzer / Keystone

Man kann irgendwie recht haben und trotzdem im Unrecht sein. Und man kann etwas, was nicht ganz falsch ist, so ausdrücken, dass es bedenklich wird. Damit sind wir bei der Auseinandersetzung um die Sammlung Bührle. Wäre sie eine Soap-Opera, man könnte ihr einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen. Die Spannung hält an: Wie geht es weiter? Wer macht den nächsten Fehltritt? Und wie lange soll sich die Debatte noch hinziehen, die erstens absehbar war und zweitens unnötig wäre, wenn alle Beteiligten die Verantwortung zeigten, die man eigentlich von ihnen erwarten könnte?

Auf die Art von Unterhaltung, die am Pfauen seit Wochen geboten wird, würde man nämlich gern verzichten. Das Kunsthaus Zürich ist kein Boulevardtheater, sondern eines der wichtigsten Museen der Schweiz. Die Sammlung E. G. Bührle ist eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen weltweit. Und ihre Überführung in ein öffentliches Museum hat sich nicht von gestern auf heute zufällig ergeben, sondern wurde über Jahre geplant. Man hätte Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Auch auf unangenehme Fragen – von denen man hätte wissen müssen, dass sie kommen.

Wem gehört Kunst?

Für die jüngste Wendung der Geschichte hat die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn gesorgt. In einem medienwirksam inszenierten Brief ans Kunsthaus gibt sie bekannt, dass sie alle ihre Bilder aus der Sammlung des Hauses abziehen möchte. Als Jüdin, wie sie im jüdischen Wochenmagazin «Tachles» zitiert wird, möchte sie nicht mehr im Zürcher Kunsthaus vertreten sein. Sie sagt auch, wie sie sich das vorstellt: Sie will die Werke zurückkaufen – zum Ankaufspreis, wie sie präzisiert.

Ob das Kunsthaus der Künstlerin die Bilder verkaufen will – und zu den Bedingungen, die Miriam Cahn sich vorstellt – wird sich weisen müssen. Ganz so einfach ist es kaum, auch wenn es sich nur um zwei, drei Bilder handelt. Zu den Tatsachen, mit denen sich eine Künstlerin abfinden muss, gehört die, dass ihre Kunst ihr nicht mehr gehört, wenn sie in Museen hängt. Nicht nur im rechtlichen, sondern vor allem auch im übertragenen Sinn: Jedes Kunstwerk ist jemandes Eigentum, aber es ist unabhängig davon Teil des Kulturbetriebs. Es wird zum «Besitz» aller, die sich mit ihr auseinandersetzen. Die Diskussionen um Kolonialkunst zeigen das exemplarisch, aber es gilt nicht nur für sie.

Anlass für Miriam Cahns Zorn sind Äusserungen, die vergangene Woche an der Pressekonferenz des Kunsthauses gemacht worden sind. Der Präsident der Stiftung Bührle trat dabei mit Bemerkungen hervor, die man als «missverständlich» bezeichnen könnte, wenn man sich um eine diplomatische Ausdrucksweise bemühen wollte. Kurzfassung: Von «verfolgungsbedingtem Entzug» von Kulturgut könne man in der Schweiz nicht grundsätzlich ausgehen. Es habe während des Zweiten Weltkriegs auch «einen ganz normalen Kunsthandel» gegeben. Und überhaupt, in der Schweiz seien Juden nie vom Staat verfolgt worden.

Lasst uns in Ruhe!

Das mag nicht alles durchwegs falsch sein. Als Ganzes und im Kontext einer Veranstaltung, in der es um die Frage ging, wie mit Emil Bührles Kunstsammlung weiter verfahren werden soll, sind die Äusserungen verfehlt. Man wird sie so verstehen müssen, wie sie gemeint waren: Lasst uns in Ruhe! Sie zeigen, dass den Protagonisten das Verständnis dafür fehlt, dass Kunstschätze ein problematisches Erbe sein können. Dass ihnen das Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Nazi-Vergangenheit fehlt. Und dass sie nicht bereit sind, die Verantwortung zu übernehmen, die ein solches Erbe verlangt.

Eine Stiftung, die das Gespräch verweigert, ein Museum, das tut, als ob alles in bester Ordnung sei, und eine Künstlerin, die sich in Drohgesten verliert: Das ist einer Kunstsammlung vom Rang der Sammlung Bührle unwürdig. Und es ist ein Affront gegen die Öffentlichkeit, die dem Bau des neuen Kunsthauses zugestimmt hat.

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Martin Schatzmann

Man sollte langsam aufhören Dinge welche zwei Generationen vor uns passiert sind nach heutigen Massstäben zu messen und beurteilen. Wir haben in der Zukunft Probleme die es zu lösen gilt. Darauf sollten wir uns konzentrieren.

Thomas Gyger

Die Stiftung Bührle wäre sicher gut beraten, ihre wunderbaren Bilder zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus dem Kunsthaus der Stadt Zürich zurückzuziehen und sie dort auszustellen, wo sie ohne wenn und aber geschätzt werden. Den frei werdenden Platz kann vielleicht Frau Cahn für ihre Kunst beanspruchen. Ob sie dabei Erfolg beim Publikum hat, dürfte eher fraglich sein.  Und es wäre wohl auch an der Zeit, die Herren Emil und Dieter Bührle und ihre Nachkommen endlich in Ruhe zu lassen.

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