Alves, Neymar, Robinho: Die Brasilianer schämen sich für ihre besten Fussballer der letzten Jahre

Robinho versteckte sich in Brasilien vor einer Haftstrafe wegen Vergewaltigung aus Italien, nun muss er in seinem Heimatland ins Gefängnis. Robinhos früherer Mitspieler Dani Alves kommt auf Kaution frei – Neymars Vater will ihm dieses Mal aber nicht aushelfen.

Florian Haupt, Barcelona 4 min
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Muss doch noch ins Gefängnis, wegen Vergewaltigung: Robinho wurde in Italien durch alle Instanzen für schuldig befunden.

Muss doch noch ins Gefängnis, wegen Vergewaltigung: Robinho wurde in Italien durch alle Instanzen für schuldig befunden.

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Jüngst hat sich auch der brasilianische Präsident zu der Causa geäussert, die sein Land umtrieb. «Jeder Mensch, der das Verbrechen der Vergewaltigung begeht, muss dafür ins Gefängnis», erklärte Lula da Silva in der vergangenen Woche. Brasiliens Oberster Gerichtshof (STJ) sah es nun genauso: Mit 9:2 Stimmen entschied er am Mittwochabend, dass der frühere Fussballstar Robinho eine neunjährige Haftstrafe aus Italien unverzüglich in seiner Heimat antreten muss.

Der Fall ist nicht nur bemerkenswert, weil es sich bei Robinho um einen 100-fachen Nationalspieler und früheren Star von Klubs wie Real Madrid und der AC Mailand handelt. In jungen Jahren beim FC Santos wurde der Dribbelspezialist gar mit Pelé verglichen. Die Angelegenheit ist juristisch ein Präzedenzfall. Da Brasilien seine Staatsbürger nicht ausliefert, galt bisher die Tradition, dass anderswo verurteilte Straftäter im eigenen Land unbehelligt ihr gewöhnliches Leben fortsetzen konnten. Auf Ersuchen Italiens hat die Mehrheit einer STJ-Sonderkammer mit den erfahrensten «Ministern», wie die Obersten Richter in Brasilien heissen, diese Praxis nun gekippt.

Robinho, 40, wurde in Italien durch alle Instanzen für schuldig befunden, gemeinsam mit anderen Männern eine Frau an ihrem 23. Geburtstag in einer Mailänder Diskothek betrunken gemacht und danach eine Gruppenvergewaltigung begangen zu haben. Die Tat stammt aus dem Jahr 2013, das erste Urteil von 2017, die definitive Bestätigung von 2022.

Robinho fühlte sich unangreifbar

Bei den Prozessen verzichtete Robinho auf eine Aussage und liess sich nur anwaltlich vertreten. Er fühlte sich unangreifbar, solange in Brasilien der rechte Chauvinist Jair Bolsonaro regierte. Noch nach Lulas knappem Sieg im Herbst 2022 wurde er auf einer Kundgebung von Bolsonaro-Sympathisanten gegen angebliche Wahlfälschung erkannt.

Doch der Wind hat gedreht, auch in Brasilien. Als er spätestens durch Lulas Worte erkennen musste, wie ernst es um ihn stand, veröffentlichte Robinho am Wochenende in den sozialen Netzwerken ein Konvolut mit angeblichen Beweisen seiner Unschuld. Er hob darauf ab, dass nur ein weiterer der sechs mutmasslichen Täter verurteilt wurde und die italienischen Gerichte sich für die anderen vier nicht einmal interessieren würden (tatsächlich wurden ihre Verfahren getrennt, weil sie wegen Verlassens des Landes nicht greifbar waren).

Schliesslich erhob Robinho den Generalvorwurf Rassismus und versuchte so, an das aktuelle Thema von Verunglimpfungen brasilianischer Spieler in europäischen Stadien anzuschliessen: «Die Gleichen wie die, die nichts gegen Rassismus dort unternehmen, haben mich im Prozess verurteilt.»

Doch die Richter zeigten sich von dem erhofften Totschlagargument unbeeindruckt. Sie sahen keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Robinho in Italien ein faires Verfahren gehabt hat. In der brasilianischen Öffentlichkeit hatte der einstige Starstürmer seine Glaubwürdigkeit sowieso spätestens in jenem Moment verloren, als mitgeschnittene Telefonnachrichten aus den Ermittlungsakten publik wurden: «Ich lache nur, es ist mir egal», prahlte er offenbar über die Tat. «Die Frau war komplett betrunken, sie weiss nicht einmal, wer ich bin.» Selbst während Bolsonaros Amtszeit scheiterte der Versuch des FC Santos, ihm noch einmal einen Vertrag zu geben, am massiven Widerstand der Basis.

Das Gericht bestätigt die Übertragbarkeit des Urteils

Das STJ urteilte allerdings nicht über den Fall, sondern bestätigte nur die Übertragbarkeit des Urteils. Es folgte damit der Argumentation des Vize-Generalstaatsanwalts Hindemburgo Chateaubriand, dass alles andere einem Freispruch gleichkäme und die «von Brasilien durch internationale Verträge übernommenen Pflichten verletzen» würde.

«Brasilien hat gezeigt, dass es eine grosse Nation ist und nicht ein Paradies der Straffreiheit», sagte aus Italien der Vertreter des Opfers, Jacopo Gnocchi. Demgegenüber bestand Robinhos Verteidiger José Eduardo Alckmin vergebens darauf, dass das Souveränitätsprinzip, das eine Auslieferung verhindert, auch die Notwendigkeit eines neuen Verfahrens in Brasilien erfordere. Während Robinho nun einem Gefängnis zugewiesen werden muss, will der Anwalt als letzte Chance zum Aufschub eine Habeas-Corpus-Haftprüfung vor dem Verfassungsgericht erwirken.

Eine vorläufige Entlassung aus dem Gefängnis hat just am gleichen Tag auf der anderen Seite des Atlantiks Robinhos ehemaliger Nationalteamkollege Dani Alves erreicht. Vier Wochen nach der Verurteilung zu viereinhalb Jahren Haft wegen Vergewaltigung entschied das Oberste Provinzgericht in Barcelona, dass Alves unter Auflagen und gegen eine Kaution von einer Million Euro in Freiheit verfolgen dürfe, wie die Berufungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gegen das Urteil verliefen. Die Staatsanwaltschaft fordert neun Jahre Haft, also eine Verdoppelung von Alves' Haftzeit.

Am Donnerstag kam Alves allerdings noch nicht frei, weil er das Geld noch nicht vor Gericht deponieren konnte. Wegen Rechtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt sowie seiner früheren Frau sind seine Vermögenswerte blockiert. Bereits die vor Prozessbeginn gezahlte Entschädigung von 150 000 Euro für das Opfer, die entscheidend zum unerwartet milden Strafmass beitrug, lieh ihm unter allgemeinem Verblüffen der Vater seines Kumpels Neymar Júnior. Dieselbe Quelle wollte Alves nun offenbar wieder anzapfen. Doch Neymars Vater gab am Donnerstagabend in einem Communiqué bekannt, dass er dieses Mal nicht für Alves einspringt und die Kaution nicht bezahlen wird. Lula sagte bei einer Parteiveranstaltung: «Das Geld, das Alves hat, oder das er von jemandem leihen kann, darf nicht den Übergriff kaufen, den ein Mann einer Frau bei einer Vergewaltigung angetan hat.»

Alves, Neymar, Robinho: Eine brasilianische Fussballergeneration ohne WM-Erfolg gilt in ihrer Heimat längst als Schande auch jenseits des Platzes.

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