Streit um Beznau spitzt sich zu

Die Atomaufsicht hat grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme von Beznau 1 gegeben. Doch damit ist der Streit nicht ausgestanden. Die Gegner gehen nun verstärkt juristisch dagegen vor und erhöhen auch den politischen Druck.

Helmut Stalder
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Beznau soll Ende März wieder anfahren. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Beznau soll Ende März wieder anfahren. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) hat letzte Woche den Sicherheitsnachweis für den Block 1 des Kernkraftwerks Beznau akzeptiert und grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme gegeben. Die Betreiberin Axpo will die seit drei Jahren stillstehende Anlage in den nächsten Tagen anfahren, so dass sie Ende März wieder auf Volllast produziert. Mit der Feststellung der Atomaufsichtsbehörde, dass die Einschlüsse von Aluminiumoxid im Stahl des Druckbehälters harmlos seien und die Sicherheit des Reaktors nicht beeinträchtigten, ist die technische Seite geklärt. Der Streit um Beznau ist damit jedoch keineswegs ausgestanden. Im Gegenteil: Die Gegner steigern nun den Druck im Parlament und auf der Strasse und verschärfen den Widerstand mit juristischen Mitteln.

Bundesrat soll Bewilligung zurückziehen

Bereits am Montag muss sich Energieministerin Doris Leuthard in der Fragestunde im Parlament rechtfertigen. Fünf Eingaben mit Dutzenden von Fragen haben Vertreterinnen und Vertreter der SP und der Grünen nach dem Entscheid des Ensi gemacht. Darin werden Methoden, Ergebnisse und die Transparenz der Untersuchungen sowie die Erdbebensicherheit der Anlage in Zweifel gezogen. Zusätzlich zu acht schon länger hängigen Vorstössen zu Beznau und zur Atomsicherheit reichte zudem die grüne Fraktion am Freitag eine Motion gegen Beznau ein. Sie wird sicher erst nach dem Wiederanfahren der Anlage in den Rat kommen, doch sie hat es in sich, denn sie will nach dem positiven technischen Entscheid das Ende von Beznau nun politisch herbeiführen: Der Bundesrat soll die unbefristete Betriebsbewilligung sofort widerrufen und die Ausserbetriebnahme beider Blöcke veranlassen. Das Werk entspreche nicht den aktuellen Standards und hielte weder einem Flugzeugabsturz noch einem Terroranschlag, noch einem schweren Erdbeben stand, argumentiert die Waadtländer Nationalrätin Adèle Thorens Goumaz. Zudem sei es absurd, ein derart altes Werk wieder ans Netz zu nehmen, wo das Volk den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen habe und zudem eine Stromüberproduktion herrsche. Flankiert wird der Druckaufbau im Parlament auch mit einer Petition der SP, mit der sie sich gegen die «Aufweichung der AKW-Sicherheit» zur Wehr setzt und für die sie innert weniger Tage bereits rund 2370 Unterschriften gesammelt hat.

Kampf mit juristischen Mitteln

Parallel zum politischen Druckaufbau verschärft die SP den Kampf auch auf juristischer Ebene. Sie reichte beim Gesamtbundesrat eine Aufsichtsbeschwerde gegen das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) von Doris Leuthard ein. Darin wird gefordert, dass der Bundesrat das Uvek anweise, den Betreibern die Betriebsbewilligung für beide Beznau-Blöcke unverzüglich zu entziehen. Bei einem grossen Erdbeben sei laut den Berechnungen des Ensi mit einer Strahlenbelastung von bis zu 78 Millisievert zu rechnen. Dieses Wissen hätte gemäss geltenden Bestimmungen unmittelbar zum Entzug der Betriebsbewilligung führen müssen, was das Uvek jedoch unterlassen habe, sagte SP-Nationalrat Beat Jans (Basel-Stadt) auf Anfrage.

1964 beschloss die damalige NOK (heute Axpo), in Döttingen im Kanton Aargau ein Kernkraftwerk zu bauen. Beznau 1 ging am 1. September 1969 in Betrieb. Die Aufnahme zeigt den Bau des Reaktorgebäudes 1967. (Bild: PD)
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Das Auffangbecken unterhalb des Reaktors von Beznau 1 wird 1966 als Erstes betoniert. (Bild: Keystone)
Anspruchsvolle Hochbauten für das Kernkraftwerk Beznau (KKB), aufgenommen 1966. – Das Kernkraftwerk Beznau 1 ist mit Jahrgang 1969 eines der ältesten Atomkraftwerke weltweit. (Bild: Keystone)
Blick in den Reaktordruckbehälter beim Einsetzen von Brennelementen 1971. – Seit der Inbetriebnahme führte man zur Steigerung der Sicherheit verschiedene Nachrüstungen und Erneuerungen am Kernkraftwerk aus. (Bild: Keystone)
1967 transportierte die Firma Welti-Furrer den Atomreaktor und benötigte einen Sondertransport nach Beznau. (Bild: Comet / ETHZ)
Die beiden Blöcke Beznau 1 und 2 liegen auf einer künstlichen Insel in der Aare. (Bild: Christoph Ruckstuhl / NZZ)
Während Revisionsarbeiten im Juni 2012 gewähren die Betreiber Einblick ins Kraftwerk Beznau 1. (Bild: Christian Beutler / NZZ)
Eintritt durch die Panzertür in den Reaktorraum von Beznau 1 (27. Juni 2012). (Bild: Christian Beutler / NZZ)
Der Reaktorraum während der Revisionsarbeiten (27. Juni 2012). (Bild: Christian Beutler / NZZ)
Brennelemente im geöffneten Reaktordruckbehälter (27. Juni 2012). (Bild: Christian Beutler / NZZ)
Beim Betreten müssen speziell gekennzeichnete Schuhe getragen werden, die beim Verlassen wieder ausgezogen werden, so dass nichts hinein- oder hinausgelangen kann (27. 6. 2012). (Bild: Christian Beutler / NZZ)
Die Durchfahrt zwischen den Gebäuden muss immer frei bleiben.(Bild: Karin Hofer / NZZ)
In einem gesicherten Raum auf dem Gelände werden Fässer mit kontaminierten Materialien zwischengelagert. (Bild: Karin Hofer / NZZ)
Sauber aufgereiht und beschriftet, hängen im Kommandoraum die Schlüssel zu allen Räumen. (Bild: Karin Hofer / NZZ)
Wenn die Kommandozentrale ausfällt, kann das Kraftwerk vom unabhängigen, gesicherten Notstandskommandoraum aus gesteuert werden.(Bild: Karin Hofer / NZZ)
Mehrere leistungsstarke Dieselgeneratoren sorgen im Notfall für die Stromversorgung. (Bild: Karin Hofer / NZZ)
Schaltschema des nuklearen Teils des Kraftwerks an der Wand im Kommandoraum.(Bild: Karin Hofer / NZZ)
Hunderte von Anzeigen liefern ständig Informationen in den Kommandoraum. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

1964 beschloss die damalige NOK (heute Axpo), in Döttingen im Kanton Aargau ein Kernkraftwerk zu bauen. Beznau 1 ging am 1. September 1969 in Betrieb. Die Aufnahme zeigt den Bau des Reaktorgebäudes 1967. (Bild: PD)

Zweitens wird in der Aufsichtsbeschwerde verlangt, dass der Bundesrat das Uvek anweise, die Teilrevision mehrerer Verordnungen zu sistieren, bis rechtskräftig in einem hängigen Rechtsfall über die Auslegung von Ausserbetriebnahmebestimmungen entschieden ist. Dies bezieht sich auf ein Verfahren, das atomkritische Verbände 2015 angestrengt hatten. Sie sind der Ansicht, der vom Ensi angewandte Grenzwert für die Ausserbetriebnahme sei viel zu hoch. Aufgrund der Verordnungen müsste 1 und nicht 100 Millisievert gelten – und Beznau unverzüglich abgeschaltet werden. Ein Gesuch um «Feststellung einer Rechtsverletzung» wies das Ensi zurück, worauf die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht ging. Mitten in diesem Streit um die Auslegung der Bestimmungen startete das Uvek jedoch eine Vernehmlassung, um ebendiese Bestimmungen für die Ausserbetriebnahme auf dem höheren Wert zu fixieren. Was für das Uvek eine Verdeutlichung ist, sehen die Verbände als ein nicht rechtsstaatliches Manöver, um mit einer eigentlichen «Lex Beznau» die Abschaltung abzuwenden.

Mit der Aufsichtsbeschwerde an den Bundesrat will die SP diese «Änderung der Regeln mitten im Spiel» durchkreuzen. Das Wiederanfahren von Beznau 1 dürfte jedoch so nicht zu verhindern sein, da die Aufsichtsbeschwerde laut Uvek keine aufschiebende Wirkung hat.