Die Atomaufsicht hat grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme von Beznau 1 gegeben. Doch damit ist der Streit nicht ausgestanden. Die Gegner gehen nun verstärkt juristisch dagegen vor und erhöhen auch den politischen Druck.
Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) hat letzte Woche den Sicherheitsnachweis für den Block 1 des Kernkraftwerks Beznau akzeptiert und grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme gegeben. Die Betreiberin Axpo will die seit drei Jahren stillstehende Anlage in den nächsten Tagen anfahren, so dass sie Ende März wieder auf Volllast produziert. Mit der Feststellung der Atomaufsichtsbehörde, dass die Einschlüsse von Aluminiumoxid im Stahl des Druckbehälters harmlos seien und die Sicherheit des Reaktors nicht beeinträchtigten, ist die technische Seite geklärt. Der Streit um Beznau ist damit jedoch keineswegs ausgestanden. Im Gegenteil: Die Gegner steigern nun den Druck im Parlament und auf der Strasse und verschärfen den Widerstand mit juristischen Mitteln.
Bereits am Montag muss sich Energieministerin Doris Leuthard in der Fragestunde im Parlament rechtfertigen. Fünf Eingaben mit Dutzenden von Fragen haben Vertreterinnen und Vertreter der SP und der Grünen nach dem Entscheid des Ensi gemacht. Darin werden Methoden, Ergebnisse und die Transparenz der Untersuchungen sowie die Erdbebensicherheit der Anlage in Zweifel gezogen. Zusätzlich zu acht schon länger hängigen Vorstössen zu Beznau und zur Atomsicherheit reichte zudem die grüne Fraktion am Freitag eine Motion gegen Beznau ein. Sie wird sicher erst nach dem Wiederanfahren der Anlage in den Rat kommen, doch sie hat es in sich, denn sie will nach dem positiven technischen Entscheid das Ende von Beznau nun politisch herbeiführen: Der Bundesrat soll die unbefristete Betriebsbewilligung sofort widerrufen und die Ausserbetriebnahme beider Blöcke veranlassen. Das Werk entspreche nicht den aktuellen Standards und hielte weder einem Flugzeugabsturz noch einem Terroranschlag, noch einem schweren Erdbeben stand, argumentiert die Waadtländer Nationalrätin Adèle Thorens Goumaz. Zudem sei es absurd, ein derart altes Werk wieder ans Netz zu nehmen, wo das Volk den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen habe und zudem eine Stromüberproduktion herrsche. Flankiert wird der Druckaufbau im Parlament auch mit einer Petition der SP, mit der sie sich gegen die «Aufweichung der AKW-Sicherheit» zur Wehr setzt und für die sie innert weniger Tage bereits rund 2370 Unterschriften gesammelt hat.
Parallel zum politischen Druckaufbau verschärft die SP den Kampf auch auf juristischer Ebene. Sie reichte beim Gesamtbundesrat eine Aufsichtsbeschwerde gegen das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) von Doris Leuthard ein. Darin wird gefordert, dass der Bundesrat das Uvek anweise, den Betreibern die Betriebsbewilligung für beide Beznau-Blöcke unverzüglich zu entziehen. Bei einem grossen Erdbeben sei laut den Berechnungen des Ensi mit einer Strahlenbelastung von bis zu 78 Millisievert zu rechnen. Dieses Wissen hätte gemäss geltenden Bestimmungen unmittelbar zum Entzug der Betriebsbewilligung führen müssen, was das Uvek jedoch unterlassen habe, sagte SP-Nationalrat Beat Jans (Basel-Stadt) auf Anfrage.
Zweitens wird in der Aufsichtsbeschwerde verlangt, dass der Bundesrat das Uvek anweise, die Teilrevision mehrerer Verordnungen zu sistieren, bis rechtskräftig in einem hängigen Rechtsfall über die Auslegung von Ausserbetriebnahmebestimmungen entschieden ist. Dies bezieht sich auf ein Verfahren, das atomkritische Verbände 2015 angestrengt hatten. Sie sind der Ansicht, der vom Ensi angewandte Grenzwert für die Ausserbetriebnahme sei viel zu hoch. Aufgrund der Verordnungen müsste 1 und nicht 100 Millisievert gelten – und Beznau unverzüglich abgeschaltet werden. Ein Gesuch um «Feststellung einer Rechtsverletzung» wies das Ensi zurück, worauf die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht ging. Mitten in diesem Streit um die Auslegung der Bestimmungen startete das Uvek jedoch eine Vernehmlassung, um ebendiese Bestimmungen für die Ausserbetriebnahme auf dem höheren Wert zu fixieren. Was für das Uvek eine Verdeutlichung ist, sehen die Verbände als ein nicht rechtsstaatliches Manöver, um mit einer eigentlichen «Lex Beznau» die Abschaltung abzuwenden.
Mit der Aufsichtsbeschwerde an den Bundesrat will die SP diese «Änderung der Regeln mitten im Spiel» durchkreuzen. Das Wiederanfahren von Beznau 1 dürfte jedoch so nicht zu verhindern sein, da die Aufsichtsbeschwerde laut Uvek keine aufschiebende Wirkung hat.