Fotograf Walter Pfeiffer: «Wenn die Leute gut aussehen, kann man fast keine schlechten Fotos schiessen»

Fotograf Walter Pfeiffer: «Wenn die Leute gut aussehen, kann man fast keine schlechten Fotos schiessen»

Annick Ramp / NZZ

Der Prophet gelte nichts im eigenen Land, heisst es. Das kann man vom Künstler Walter Pfeiffer nicht behaupten, auch wenn er international höher geschätzt ist als in der Schweiz. Der neue Prachtband «Chez Walti» belegt die Vielseitigkeit seines fotografischen Werks.

Jürg Zbinden (Text), Isabella Hager (Bildredaktion) 4 min
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Herr Pfeiffer, sind Sie queer?

Für mich war nie von Bedeutung, was ich bin. Ich habe ja mit dem Thema schon früh gearbeitet, musste aber nicht zu allen sagen: «Entschuldigung, ich bin schwul». Ich brauchte es aber auch nicht zu verstecken.

Trotzdem sind Sie eine Queer-Ikone.

Man selber merkt ja davon wenig. Hier ist es nicht wie in Amerika, wo dich jemand einfach anspricht und sagt «I like your style». Vom Fame spüre ich hier nichts, und davon kann ich im Übrigen auch nicht leben.

Walter Pfeiffer mit Gottvertrauen-Mütze, fotografiert im Wow-Museum in Zürich.

Walter Pfeiffer mit Gottvertrauen-Mütze, fotografiert im Wow-Museum in Zürich.

Annick Ramp / NZZ

Ihr neuer Band «Chez Walti» enthält 322 Bilder von 2000–2022. Warum zeigt der Schutzumschlag beidseitig ein anderes Bild?

Vorne wie hinten sollte gleich stark sein. Ich rede vom Umschlag. Er ist ohne Text konzipiert, also müssen Vorder- und Rückseite ansprechend sein und miteinander korrespondieren. Der Fokus liegt aber auf der Vorderseite, sie muss anziehend wirken.

War schon Ihr erstes Buch – «Walter Pfeiffer (1970–80)» – erfolgreich?

Der Erfolg kam erst allmählich. Ich erhielt erste Briefe von Fans, die ich alle so beantwortete, wie ich es in der «Film Revue» gelernt hatte. Ein Star muss immer alles beantworten. Als ich mich von der Fotografie zurückzog, um zu zeichnen und zu malen, Stillleben und meine Katzen, wurde die goldene Strasse zum Ruhm natürlich wieder gesperrt. Eines Tages fragte mich der F+F-Mitgründer, Hansjörg Mattmüller, ob ich nicht Lehrer werden wolle. «Du kannst das», sagte er, «du kannst es gut mit Leuten.» Ich bin dann eingesprungen, als jemand krank wurde, und da war’s um mich geschehen. Ich merkte, hier bin ich in meinem Element.

Typisch für Ihren Stil ist das Foto mit der Wäscheleine vor Eiger, Mönch und Jungfrau. Wie kam es zu dem Bild?

Zusammen mit einem meiner besten Freunde, der sehr zuverlässig ist – was bei Bergwanderungen besonders wichtig ist –, stieg ich auf den Männlichen. Bei der Bergstation sah ich dieses Panorama mit der farbigen Wäsche. Nur ein Klick war nötig, wie immer.

Der Fotograf Walter Pfeiffer stand eher im Ruf eines Amateurs. Als Profi wurden Sie nicht wirklich ernst genommen.

Bis im Jahr 2000 «Welcome Aboard» erschien, hatte ich nur Leute um mich herum fotografiert, und da war es mehr oder weniger egal, wenn die Fotos unscharf herauskamen oder der Film falsch belichtet war. Ich fotografierte im Automatikmodus mit Blitz, mehr brauchte ich gar nicht. Wenn die Leute gut aussehen, kann man eh fast keine schlechten Fotos schiessen, finde ich.

Fotografieren Sie lieber Amateure oder professionelle Models?

Ab 2010, nach der grossen Ausstellung in Winterthur, schaute mein Agent, dass ich vor allem bei den Frauen mit Topmodels arbeite. Dabei war ich im Stil und im Auftreten nicht völlig anders, ich brauchte mich nie zu verstellen. Am Anfang gaben sich alle reserviert, aber am Ende eines Shootings fielen sie mir um den Hals.

Was sagen Sie zum omnipräsenten Begriff der Diversität?

Ouuuhh, dieses Wort! Es kommt mir so abgedroschen vor, tut mir leid. Für Diversität bin ich zu altmodisch. Es gibt anderes, was mich interessiert.

Eines Ihrer Markenzeichen sind die leuchtenden Farben. Farbe und Fun. Was noch?

Eine gute Stimmung auf dem Set ist das Wichtigste für mich.

Walter Pfeiffer, fotografiert im WOW Museum in Zürich.

Walter Pfeiffer, fotografiert im WOW Museum in Zürich.

Vermissen Sie Polaroid?

Sehr. Leider haben die Polas von heute nicht mehr die einstige Schärfe, die knalligen Farben. Heute sind sie fast zu experimentell.

Haben Sie die Anfänge als Künstler zum Sparfuchs gemacht?

Das sowieso, das bin ich seit je. Wenn du einmal auf null gewesen bist, merkst du, wie klein dein Freundeskreis wird. Ich musste schauen, dass wenigstens die Katzen zu fressen hatten.

Befürchten Sie, dass Sie eines Tages wieder bei null landen könnten?

Die Angst, es könnte dazu kommen, dass mir nichts mehr bleibt, begleitet mich immer. Man weiss nie.

Zurück zu den Katzen. Ihre Katzen waren ja die Stars, die Ihnen am nächsten waren. Warum haben Sie keine mehr?

Als mein Mami noch lebte, konnte ich ihr die Katzen bringen, wenn ich wegmusste oder in die Ateliers durfte, auch nach Amerika. Wir schickten also meine zwei Katzen, Pips und Fräulein Nüssli, aufs Land. Sie war nicht gerne draussen, er hingegen, ein Strassenkater, blühte auf und fing sogar ein Verhältnis an mit dem Hund von Mama. Nüssli war rasend eifersüchtig und ärgerte sich grün. Jetzt, wo Mama nicht mehr da ist, müsste jemand zu den Katzen schauen. Ich hab’s einmal mit jemandem probiert, aber der liess die Tiere im Stich. Seitdem: nein, danke. Und was, wenn der Urgrossvater ins Heim muss und die Katzen erst zehn sind? Pips wurde zwanzig.

Wie kam Pips zu seinem Namen?

Wegen Gladys Knight & the Pips, der Motown-Sängerin, die hatte eine super Stimme und lieferte einen Supersong für einen James-Bond-Film («Licence to Kill»).

Für das Zürcher Filmpodium haben Sie legendäre Filmplakate geschaffen, etwa für eine Max-Ophüls-Retrospektive. Nun entwerfen Sie eins für das Jazzfestival Schaffhausen. Wie kam es dazu?

Ganz einfach: Sie haben mich angefragt, und ich habe zugesagt.

2024 hat gerade begonnen. Haben Sie die Star-Astrologin Elizabeth Teissier konsultiert?

Lebt sie überhaupt noch? Ich würde mich tatsächlich gern von ihr beraten lassen.

Haben Sie noch einen grossen, unerfüllten Traum?

Die grosse Liebe. (Lacht.)

Walter Pfeiffer: Chez Walti, Photographs 2000–2023. Edition Patrick Frey, Pro Litteris, Zürich 2023. 418 S., 322 Abb, um 88 Franken.