«Ir sid geili Sieche» – die Büetzer Buebe im ausverkauften Letzigrundstadion

Die 45 000 Fans in Zürich sind auf ihre Rechnung gekommen. Gölä und Trauffer haben für viel musikalische Abwechslung gesorgt. Auch ein paar patriotische Momente durften nicht fehlen.

Ueli Bernays
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Kumpels mit Sinn für Witz und patriotische Feierlichkeit.

Kumpels mit Sinn für Witz und patriotische Feierlichkeit.

Ennio Leanza / Keystone

Auf der einen Seite die Weiten des Zürcher Sportstadions Letzigrund; auf der andern ein kleiner, rundlicher Mann aus Oppligen im Kanton Bern: der 54-jährige Marco Pfeuti alias Gölä. Wie passt das zusammen? Einmal kurz blinzeln und die Augen wieder öffnen. Jetzt flackern die Scheinwerfer und die vielen Video-Screens, es dröhnen die Boxen, es jaulen Gitarren.

Und 45 000 Fans sitzen in den Rundungen der Ränge, besetzen das Fussballfeld und drängen sich vor einem gewaltigen Bühnenbau. Sie jubeln Gölä zu und auch Trauffer, seinem elf Jahre jüngeren Musikerkumpel. Die beiden haben tatsächlich etwas geschafft, wovon Schweizer Musiker bisher allenfalls träumten: Sie haben das Stadion Letzigrund gebucht und gefüllt (für das zweite Konzert vom Samstag wurden im Vorverkauf 30 000 Tickets abgesetzt).

Pandemische Verschiebung

Gölä und Trauffer setzen sich als «Büetzer Buebe» in Szene. Und so geben sie zu Beginn auch gleich ihre Büetzer-Buebe-Hymne zum Besten. Nicht ohne Selbstironie singen sie von ihrem «sture Grind». Und tatsächlich dürften sich Eigensinn und Sturheit in ihrem Falle als Erfolgsrezept erwiesen haben.

Das gilt jedenfalls für das Letzigrund-Doppelkonzert. Aus pandemischen Gründen musste das Datum zweimal verschoben werden. Aber die Musiker liessen sich dadurch nicht abbringen von ihrem ambitionierten Grossprojekt. Und auch das Publikum bewies Treue und Geduld. Nur gerade fünf Tickets seien zurückgegeben worden, berichtet Gölä grinsend. Kein Wunder, sind die beiden Künstler in ihr Publikum verliebt: «Ir sid geili Sieche, ir sid die geilschte Sieche» – das bekommt man nicht mehr aus den Ohren.

Tatsächlich feiert das geile Publikum schon ausgelassen, lange bevor die Stars des Abends auf der Bühne erscheinen. Multikulti stellt man sich anders vor, aber für Diversity sorgen immerhin die Tausende von Bernern, Ostschweizern, Innerschweizern, die nach Zürich gereist sind. DJ Tom-s macht Stimmung mit harten Schlagern und vollen Beats und lässt Stimmen durchs Stadion sausen, die mal rockig die «Sweet Caroline» feiern, mal volkstümlich das schöne Berner Oberland. Die mehrheitlich schon etwas angejahrten Fans klatschen, winken oder schwenken die Arme über dem Kopf. Andere lassen das leuchtende Handy schwingen oder auch gleich ihr Bier, als wollten sie es teilen mit dem ganzen Stadion.

Ein Kontrastprogramm

Natürlich ist das Volksfest erst perfekt, wenn die Stars das Zepter übernehmen und für die Musik sorgen. Die Video-Screens zeigen die Möchtegern-Büezer in cineastischer Vergrösserung auf dem Bau oder in der Werkstatt. Auf der riesigen Bühne aber wirken sie anfangs etwas verloren. Das Auge muss sie suchen gehen zwischen all den Musikern und Musikerinnen, Sängerinnen und Sängern ihrer eindrücklichen Begleitband. Der Band-Sound erweist sich anfangs zwar als ein ziemliches Gerüttel. Aber das stört niemanden, das ist Live-Musik, das ist Rock’n’Roll, da darf es rattern und lärmen.

Von der Bühne führt ein Steg mitten ins Publikum, Gölä und Trauffer nehmen ihn für sich in Anspruch, um Nähe und Verbundenheit mit den Fans zu zelebrieren. Wie aber schaffen es die Stars, das ganze Stadion bei Laune zu halten? Mit sichtlichem Engagement, mit Witz und viel Abwechslung. Schon die Paarung der ungleichen Typen garantiert ein Kontrastprogramm.

Wenn Gölä mit einer schweren Maschine auf die Bühne rollt, folgt ihm Trauffer auf dem Töffli. Gölä ist der Rocker von altem Schrot und Korn. Trauffer hat es mehr mit Ländler, Schlager und Disco. Wenn Gölä seine Stimme erhebt in «Keini Träne meh», wird’s einem warm ums Herz. Wenn Trauffer einen Hit wie «Fräulein Marty» trällert, soll man grinsen. Wenn Gölä an der Reihe ist, möchte das Publikum alte Hits wie «Indianer» mitsingen. Bei Trauffer-Nummern wie «Müeh mit de Chüeh» hingegen schunkelt der ganze Letzigrund.

Gölä thematisiert wie in «John Deere» oft Auf- und Ausbrüche vom Land in die Stadt oder von der Schweiz in die Ferne, wobei dann erst die Rückkehr in die Heimat Glück und Zufriedenheit verspricht. Da versteht man Trauffer eigentlich, wenn er Songs wie «Jolidulio» intoniert und lieber gleich zu Hause bleibt in der schönen Schweiz.

Patriotismus

Ja, die Schweiz, die liegt den beiden Pop-Stars offensichtlich am Herzen. Die beiden musikalischen Grossverdiener mögen keine echten Büezer mehr sein und erst recht keine Buben – dabei handelt es sich um poppiges Rollenspiel. Aber den Patriotismus und die Passion für traditionelle, ländliche Werte, die schleckt keine Geiss weg und auch keine Kuh. Deshalb sieht man auf den Video-Screens, die zuvor noch den Wilden Westen gezeigt haben, immer mehr Berge und immer mehr Schnee. Die Bühne wird gestürmt von Trachte-Meitli, Trachte-Buebe und einem monumentalen Männerchor – so gross wie eine ganze Landsgemeinde.

Irgendwie ist man froh, dass die Dramaturgie des Konzerts dann allmählich die ganz grossen Hits voraussetzt. Mit dem «Schwan» wird das Finale eingeläutet. Und mit «I hätt no viu blöder ta» sorgt Gölä für den Schluss- und Höhepunkt des Abends.