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Wenn das Tutemännchen schweigt

Die Astronomische Uhr im Dom wird restauriert

Münster

Die Astronomische Uhr im Dom ist normalerweise ein großer Anziehungspunkt für alle Besucher. Momentan aber schweigt die Uhr, weil das Kunstwerk restauriert wird. Bis zum Katholikentag im Mai 2018 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Gabriele Hillmoth

Diplom-Restauratorin Marita Schlüter spürt an der Astronomischen Uhr in einer Höhe von acht Metern alle Mängel auf.
Diplom-Restauratorin Marita Schlüter spürt an der Astronomischen Uhr in einer Höhe von acht Metern alle Mängel auf. Foto: Oliver Werner

Zu jeder vollen Stunde trompetet das Tutemännchen, seine Frau schlägt an die Glocke. Das alles spielt sich in luftiger Höhe ab. Aber es macht nicht nur einmal Plong, der Glockenschlag klingt nach. „Das darf nicht sein“, sagt Dr. Udo Grote. Der Domkustos ist für die Kunstwerke im Dom zuständig und damit auch für die Astronomische Uhr, die zurzeit bis zum letzten Rädchen auf Herz und Nieren überprüft wird.

Ein magischer Anziehungspunkt

Für Münsteraner und Touristen ist die Uhr im Dom ein magischer Anziehungspunkt. Momentan hat die Uhr ausgetickt, denn das Kunstwerk wird komplett restauriert. Ein aufwendiger Vorgang, so Grote.

Was zu tun ist, das versuchen Experten wie Diplom-Restauratorin Marita Schlüter in akribischer Kleinarbeit herauszufinden. Die 55-Jährige, die seit 13 Jahren die Kunstwerke im Dom betreut und darum auch bei dessen Generalsanierung vor vier Jahren eingespannt war, gab den Hinweis, dass an dieser Uhr etwas getan werden muss.

Dr. Udo Grote, Domkustos

Das Uhrwerk ruht

Bis vor zwei Wochen hat die Uhr noch geläutet, jetzt ruht ihr Uhrwerk. Um dennoch einen Eindruck von dem Kunstwerk zu bekommen, erklingt das Glockenspiel nun auf einem Monitor.

Die Astronomische Uhr in Münster ist schon allein durch ihre Größe und Qualität etwas Besonderes, sagt die Restauratorin. Die Renaissance sei zu spüren. „Nur eine Handvoll solcher prächtigen Uhren existiert heute noch in Europa“, schwärmt Domkustos Dr. Udo Grote. Aber sein Herz schlägt für die Uhr im heimischen Dom: „Hier ist alles stimmig.“

Schon mehrfach überarbeitet

Bei aller Prächtigkeit wurde das Kunstwerk schon mehrfach in den letzten Jahrzehnten überarbeitet. Es nagt nicht nur der Zahn der Zeit an den Heiligen Drei Königen, die normalerweise jeden Tag pünktlich um zwölf Uhr hoch oben ihren Auftritt haben. Schäden sind in den vergangenen Jahrzehnten auch durch unsachgemäße Arbeiten entstanden, erklärt Marita Schlüter. Neue Techniken lassen heute sehr viel feinere Restaurierungen zu.

Zentimeter für Zentimeter kontrolliert die 55-Jährige darum jetzt die knapp acht Meter hohe Uhr. Die Restauratorin steht dafür täglich auf dem Gerüst. Mit Kopflupe und Laptop untersucht sie die Figuren und die Malereien mit UV- und Infrarot-Licht. Und sie wird fündig. Es zeichnen sich Risse im Holz ab. „Bretter sind nicht passgenau gefügt“, dokumentiert Marita Schlüter. Ob das Eichenholz aber behandelt wird, diese Frage stellt sich erst nach Abschluss der Bestandsaufnahme. Ob Risse und Löcher geschlossen werden, ob Holz neu verleimt werden muss . . . Der Holzwurm hält sich fern, atmet die Expertin auf.

„Herstellungsprozesse der Malerei können wir jetzt noch besser verstehen“

Das Infrarot-Licht dringt noch tiefer ein und zeigt ihr, wo Unterzeichnungen auf den Bildern abzulesen sind. Mit bloßem Auge sind diese nicht zu erkennen. Aber: „Die Handschrift des Künstlers kommt zutage“, freut sich die Diplom-Restauratorin. Am Faltenwurf von Matthäus dem Evangelisten macht das Infrarot-Licht transparent, dass der Maler diesen Faltenwurf zunächst andersherum aufgezeichnet hatte. Es lässt sich ablesen, ob vielleicht auch ein Sohn von Maler Ludger tom Ring beteiligt war. Marita Schlüter ist überzeugt: „Herstellungsprozesse der Malerei können wir jetzt noch besser verstehen.“

Doch zunächst geht es an die Substanz – und die ist teilweise bescheiden: Ornamente sind schon teilweise nicht mehr ablesbar, zahlreiche Retuschearbeiten kommen jetzt ans Licht. All das zeigt sich nur hoch oben an der Uhr. „Karten sind mehrfach nachgezogen und Gemälde häufiger gereinigt worden“, stellt die Restauratorin fest. Wobei Marita Schlüter überzeugt ist, dass die Malerei früher nicht bewusst retuschiert wurde.

Zum Katholikentag im Jahr 2018 soll die Uhr wieder laufen

Im Mai soll der Umfang der Restaurierung feststehen, dann wird mit den Denkmalbehörden entschieden, was gemacht werden soll, erklärt Dr. Udo Grote. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, beschreibt Marita Schlüter ihr Vorgehen. Zum Katholikentag im Jahr 2018 soll die Uhr wieder laufen, das ist das Ziel.

Technisches Meisterwerk: Die Astronomische Uhr

Ihr Erfinder soll hieß Dietrich Tzwyvel. Er baute ein technische Kunstwerk, das auch heute noch schwer zu erklären ist. Die Astronomische Uhr läuft normalerweise wie am Schnürchen. Ihre Technik ist kompliziert, dass es selbst Experten wie Domkustos Dr. Udo Grote schwer fällt, das Meisterwerk detailliert zu beschreiben.

Die Uhr besteht aus drei Teilen: Kalender, Zifferblatt und Giebel mit „Umgang“. Hinter einem Gitter hängt die Ostertafel. Die sich drehende Scheibe zeigt das Datum, den Wochentag, den Namenstag, den Tagesspruch und die Festtage an – alles wurde bis zum Jahr 2071 vorausberechnet.

Das Zeigerwerk in der Mitte der Uhr gibt den Lauf und Standort der sieben Gestirne an. Der Sonnenzeiger zeigt den Umlauf der Sonne um die Erde und gibt die Zeit mit Stunden und Minuten an. Auf der Scheibe (Rete genannt) drehen sich Tierkreis und 15 Fixsterne. Auf dem Grund des Ziffernblattes ist der Horizont von Münster rot aufgemalt. Die Landkarte darunter ist reiner Schmuck und 1670, nach dem Westfälischen Frieden, aufgemalt. Die 24 Planetentafeln rechts und links neben dem Ziffernblatt geben für jede Stunde das Gestirn an.

Die Dom-Reportage

Ein Tag im Dom: Von Frühaufstehern und Badeschlappen

Daten und Geschichte der Uhr

Die erste astronomische Uhr im münsterischen Dom wurde angeblich von einem Mönch aus dem Kloster Hude bei Oldenburg gebaut und 1534 im Bildersturm der Täuferbewegung verwüstet und zerstört. Zwischen 1540 und 1542 wird die heutige Uhr durch Dietrich Tzwyvel errichtet. Gemeinsam mit Johann von Aachen, Franziskaner und Domprediger, lieferte er die Berechnungen. Beteiligt waren aber auch der Schlosser Nikolaus Win­demaker, der das Werk von Hand schmiedete, sowie Ludger tom Ring, der unter Assistenz seiner Söhne die Malerei auf dem Gehäuse schuf.

1660 wurde die Weltkarte spiegelverkehrt, weil für astronomische Zwecke, auf den Hintergrund des Zifferblattes aufgemalt. Das hölzerne Rete wurde in barocken Formen erneuert. 1696 wurde das Uhrwerk erneuert und der Viertelstundenschlag mit Chronos (Zeitgott) und Tod hinzugefügt. 1818 wird der Scheren-Stiftgang mit vier Meter langem Pendel eingebaut. Dies führte damals durch das Knallen zu erheblicher Lärmbelästigung im Dom.

1927 schlug diese Uhr darum zum letzten Mal. Zwischen 1929 und 1932 folgte die Erneuerung der Uhr. Ernst Schultz und Erich Hüttenhain vom astronomischen Seminar der Universität lieferten die Berechnungen des Werkes unter Mitarbeit von Wilhelm Nonhoff. Turmuhrmeister Heinrich Eggeringhaus von der Turmuhrenfabrik Korfhage in Buer bei Melle baute das Werk. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Uhr ausgelagert und am 21. Dezember 1951 wieder in Gang gesetzt. Die Astronomische Uhr ist 7,80 Meter hoch und im Mittelteil 4,10 Meter breit. Das Zifferblatt hat einen Durchmesser von drei Metern, die Kalenderscheibe von 1,50 Metern. Die Planetentafeln sind 2,30 Meter hoch, das Rete wiegt 110 Kilogramm.

Die Astronomische Uhr sehen und hören Sie bei 0:40

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