Marcus Giebel

Zecken haben keinen guten Ruf, denn die klitzekleinen Tiere sind als Blutsauger bekannt und können obendrein folgenschwere Krankheiten übertragen.

Niemand scheint wirklich vor ihnen sicher zu sein. Denn neben Tieren befallen sie durchaus auch Menschen. Wirklich wählerisch scheinen Zecken dabei nicht zu sein. Auch wenn einige Regionen in Deutschland als Risikogebiete ausgewiesen werden.

Zecken: Wie landen sie auf unserer Haut?

Wie sich die Parasiten auf den Körpern ihrer Opfer niederlassen, hat nun ein Forscherteam der University of Bristol um den mittlerweile in Berlin arbeitenden Sam England untersucht. Dabei spielt Elektrizität eine entscheidende Rolle.

In Experimenten versuchten die Forscher aus Großbritannien herauszufinden, inwiefern etwa Zecken durch elektrostatische Kräfte quasi von den Oberflächen anderer Lebewesen angezogen werden. Es sollte auch gezeigt werden, wie dieser Mechanismus ihnen hilft, größere Distanzen zurückzulegen, obwohl sie eigentlich gar nicht in der Lage sind zu springen.

Ein Versuch der im Juni 2023 veröffentlichten Studie bestand darin, Zecken mit einer Zange in die Nähe eines elektrisch aufgeladenen Kaninchenfußes zu bringen. Die Parasiten legten die Distanz von mehreren Millimetern oder auch Zentimetern problemlos zurück. Ebenso sah es bei einer Acrylplatte aus, die mit einem Kaninchenfuß triboelektrisch – also durch Reibung – aufgeladen wurde.

Zecken befallen Tiere: Oberflächenspannungen an bestimmten Körperregionen

Das Modell ließ bei einer Kuh besonders große Oberflächenspannungen rund um die Nase, am Schwanz und an den Gliedmaßen erahnen. Dies seien genau die Körperregionen, die in der Natur besonders häufig von Zecken befallen werden, betonen die Forscher. Auch in der näheren Umgebung eines geladenen Tieres seien wenige Millimeter von der Vegetation entfernt erhöhte elektrische Feldstärken festgestellt worden.

Um diese Situation nachzuahmen, wurden Zecken auf einer elektrisch geerdeten Aluminiumplatte direkt unter einer kugelförmigen Stahlelektrode platziert. War die Elektrizität zwischen Kugel und Platte gleich Null, wurden einige Zecken nur leicht angehoben, hielten den Kontakt mit der Platte aufrecht und erreichten die Elektrode nicht. Sie waren laut den Forschern zwar den elektrischen Kräften ausgesetzt, widersetzten sich der Anziehung jedoch, indem sie sich an der Platte festhielten.

Weiteres Ergebnis des Versuchs: Zecken legten nur dann den kompletten Weg zwischen Platte und Elektrode zurück, wenn letztere eingeschaltet war, jedoch nie, wenn sie ausgeschaltet war. Im ersten Fall wurden drei Viertel der Zecken vollständig zur Elektrode gehoben, 15 Prozent zumindest teilweise, im zweiten Fall erreichte keines der Insekten die Elektrode, lediglich eine der 20 getesteten Zecken legte den Luftweg teilweise zurück.

Bei den Zecken, die von der Elektrode angezogen wurden, geschah dies binnen Sekunden. Als Median – also Mittelwert – werden 0,79 Sekunden angegeben. Es wurde also gezeigt, dass elektrische Felder, die den Oberflächenspannungen von Wirbeltieren entsprechen, die Zecken über einen Luftweg von mehreren Körperlängen und entgegen der Schwerkraft anziehen. Elektrostatische Kräfte könnten demnach die Reichweite der Parasiten und damit auch deren Effizienz bei der Suche nach einem Wirt erheblich erhöhen, stellen die Forscher fest.

Zecken in der Natur: Parasiten nutzen elektrische Feldstärken

Zu bedenken geben die Experten auch, dass sich die Zecken in der Natur nicht immer entgegen der Schwerkraft bewegen müssten, um einen Wirt zu befallen. So könnten auch geringere elektrische Feldstärken genügen.

Die gleiche elektrostatische Anziehung auf Zecken wurde auch nachgewiesen, wenn diese sich auf isolierenden Substraten befanden, die triboelektrisch geladenen Isolatoren ausgesetzt waren. Daher gehen die Forscher davon aus, dass ihre Ergebnisse auf Zecken übertragbar sind, die in einer Vielzahl von Lebensräumen und Vegetationstypen mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften zu Hause sind.

Zecken befallen Menschen: Dank Oberflächenspannungen legen sie mehrere Zentimeter zurück

Als durchschnittliche elektrische Feldstärke, die für die Anziehung einer Zecke über die getestete Entfernung erforderlich ist, geben die Forscher infolge des Experiments 258.000 Volt pro Meter an. Zu beachten sei, dass Berichten zufolge Menschen Oberflächenspannungen von bis zu 30.000 Volt aufbauen können. Das würde erklären, warum Zecken auch Menschen anfallen. Denn bei viel kleineren Abständen sind eben auch deutlich geringere elektrische Feldstärken nötig, angegeben werden etwa für eine Distanz von 0,1 Millimetern 26 bis 29 Volt.

Bei den angesprochenen "menschlichen" Oberflächenspannungen von 30.000 Volt könnten Zecken demnach sogar über mehrere Zentimeter angelockt werden, betonten die Forscher. Sie sehen in ihren Experimenten Beweise dafür, dass in der Natur elektrische Felder ausreichende Stärke besitzen, um Zecken auf ihren Wirt zu verhelfen. Allerdings würden sie anders als Spinnen sehr wahrscheinlich nicht den atmosphärischen Potentialgradienten nutzen, um quasi in der Luft zu surfen.

Schutz vor Zecken-Befall: Forscher empfehlen antistatische Beschichtungen

In ihren Ergebnissen erklären die Forscher auch, davon auszugehen, dass die elektrostatische Anziehung die anfängliche Bindung der Zecke an die Oberfläche des Wirts vereinfacht. Somit hätten die Fußwurzelklauen der Zecken mehr Zeit, um sich festzukrallen.

Wichtig: In dieser Studie wurde nur an Zecken im Nymphenstadium experimentiert, es gab jedoch auch schon vorläufige Untersuchungen an Larven und erwachsenen Zecken. Auch diese hätten darauf schließen lassen, dass die Insekten in diesen Stadien von elektrischen Feldern gleicher Stärke passiv angezogen werden könnten.

Zudem sei davon auszugehen, dass ein ähnlicher Effekt der elektrischen Anziehung auch bei Milben, Flöhen oder Läusen verbreitet ist. Geklärt werden müsste die Frage, wie Zecken auf ihre Wirte, also auf die elektrischen Felder aufmerksam werden. Möglich seien Reize wie Vibrationen, Strahlungswärme, der Wirtsgeruch oder ein plötzlicher Abfall der Lichtintensität.

Verwiesen wird auf das Haller-Organ, ein Sinnesorgan an den Vorderbeinen der Zecke. Damit können sie Feuchtigkeit, chemische Stoffe, Kohlendioxid und auch Temperaturen spüren. Außerdem werden mechanorezeptive Trichobothrien genannt. Über diese verfügen auch andere Spinnentiere, bei denen die sehr langen Tasthaare empfindlich auf elektrische Felder reagieren.

Die Forscher raten dazu, Strategien und Technologien zu entwickeln, um die elektrische Wechselwirkung zwischen Zecken und elektrostatischer Ladung zu unterbrechen. Vorgeschlagen werden antistatische Beschichtungen, die bei Nutztieren, Haustieren und Kleidung angewendet werden sollten. Helfen könnte demnach Outdoor-Kleidung, deren Material sich höchstens minimal elektrostatisch auflädt. Es gibt auch einige Hausmittel, die Abhilfe schaffen können.