Uveitis durch Lyme-Borreliose

Ein Zeckenbiss und dessen Nebenwirkung am Auge

Verdachtsdiagnose – Uveitis durch Lyme-Borreliose

Anamnese

Eine 26-jährige Bürokauffrau kommt zur Augenglasbestimmung, weil sie eine plötzliche Sehverschlechterung des linken Auges wahrnimmt. Die Kundin beschreibt neben dem reduzierten Visus auch Doppelbilder. Schmerzen hat sie keine, jedoch nimmt sie „schwimmende“ Trübungen wahr. Gesichter kann sie mit dem linken Auge nur noch verschleiert erkennen. Auf die genauere Nachfrage schildert sie folgende Symptome ihres allgemeinen Gesundheitszustandes: Kopf- und Gliederschmerzen, wechselnde Gelenkschmerzen, mal in der Schulter, mal in Hüft- und Kniegelenken.

An eine vor Tagen oder Wochen durchgemachte Infektion kann die Kundin sich nicht erinnern. Das einzig Auffällige sei ein Zeckenbiss vor etwa sieben Wochen gewesen. Beim Joggen im Wald habe sich das Tier an ihrer Wade festgebissen, ihr Partner hat es daheim mit Alkohol getötet und dann herausgedreht. Drei Tage später hatte sich an dieser Stelle ein handtellergroßer roter Fleck gebildet,der eine Zeitlang immer größer, danach in der Mitte hell und an den Rändern dunkler geworden sei. Nach ein paar Tagen sei der Fleck von selbst verschwunden.

Abb.1: Wanderröte (Quelle: Wikipedia)

Befunde

- Augenglasbestimmung: F. R: sph -1,50 cyl+0,25 A 0° - Vcc 0,8    L: sph -1,25 Pr. 5,0B.u. - Vcc 0,3

  Führungsauge – OD

- Covertest: OS – kleine Einstellbewegung von oben

- IOD (9.30Uhr), Non-contact Tonometer OD 17,4 mmHg   OS 18,1 mmHg

- Ophthalmoskopie:

OD: leicht verwaschene Papillengrenze, cup to discratio: 0,2

OS: leicht prominente Papille mit Randunschärfe, cup to disc ratio – unsicher Makulabereich: gelbliche-weiße Einlagerungen

- Spaltlampenbefund: Kammerwinkelnach van Herrick: OD 3  OS 3

      Der vordere Augenabschnitt zeigt an beiden Augen keine Auffälligkeiten.   

- Die Kontrastsensibilität liegt an beiden Augen unter der der Altersnorm.

Im Glaskörper konnten Verdichtungen festgestellt werden.

Diagnose

Die Patientin wurde mit der Verdachtsdiagnose Uveitis durch Lyme-Borreliose an eine örtliche Augenklinik verwiesen.  

Behandlung

In der Freiburger Augenklinik wurde eine intrakranielle Raumforderung (z.B. Gehirntumor) computertomographisch ausgeschlossen. Klinisch konnten Glaskörperverdichtungen in der unteren Peripherie und einige Wochen später, bei der Zweituntersuchung, eine Papillengliose mit Verziehung der Gefäßbögen und Granulome mit Gefäßneubildungen in der äußeren Peripherie nachgewiesen werden. Bei der Suche nach der Grunderkrankung fiel im Blutbild ein erhöhter IgM-Borrelien-Titer auf. Daraufhin wurde eine orale Therapie mit Penicillin und Steroiden durchgeführt, die zu keiner Besserung führte. Ein zweiter Behandlungsversuch mit Cephalosporin war erfolgreich. Ein Jahr nach Beginn der Behandlung betrug der Visus am rechtenAuge 1,0 und am linken Auge 0,4. Fünf Monate später kam es durch ein Makulaödemzu einer erneuten Visusminderung des rechten Auges auf 0,4. Die Funktion des linken Auges war unverändert. Der IgM-Borrelien-Titer war erneut erhöht. Nach einer Kombinationsbehandlung mit Antibiotika stieg der Visus auf 0,8 an, und die Borrelien-Antikörper wurden negativ.

Zusammenfassend handelt es sich um eine rezidivierende hintere Uveitis, die im zeitlichen Zusammenhang mit den erhöhten Borrelien-IgM-Antikörpern auftrat und sich erst nach der Kombinationsbehandlungmit Antibiotika besserte.  

Diskussion – Hintergrund- Hinweise

Die Lyme-Borreliose ist eine systemisch, bakterielle Infektionserkrankung durch die von Zecken übertragene Spirochäte Borreliaburgdorferi. Bei dem typischen Verlauf tritt nach dem Zeckenbiss ein charakteristischer rötlicher, schmerzloser Hautausschlag auf, der sich ringförmigausbreitet, später in der Mitte abblast und nach peripher wandert (Wanderröte). Der Patient kann Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen sowie Fieber bekommen. Weiterhin sind generalisierte oder regionale Lymphknotenschwellungen möglich. Nach der Rückbildung der Hauterscheinung können sich Wochen, Monate bis Jahre auch ohne die genannten Frühsymptome, weitere Beschwerden entwickeln:

Dazu zählen:

- migräneartige Kopfschmerzen

- Sprachstörungen

- Nachlass der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit

- Schlafstörungen

- häufiges Schlafbedürfnis

- Herzrhythmusstörungen

- Geruchsempfindlichkeit

- Gleichgewichtsstörungen

- sexuelle Störungen

- Schwächung des Immunsystems

Liegt die Wanderröte im Kopfbereich vor, kann es zu einer Konjunktivitis kommen. Eine mögliche Regenbogenhautentzündung (Iritis) ist von einem knötchenförmigen Charakter gekennzeichnet. Verwachsungen der Iris mit der Augenlinse kommen dabei häufig vor. Entzündliche Reaktionen, in den Wänden der retinalen Blutgefässe (Vaskulitis), können akut mit intraretinalen Blutungen, Cotton-wool-Flecken und Verschluss des retinalen Gefäßsystems mit folgender Neubildungvon Blutgefäßen (Neovaskularisation), oder auch chronisch als zystoiderMakulopathie verlaufen. Oft ist auch die Aderhaut betroffen. Im Rahmen der Neuroborreliose mit Hirndrucksteigerung kann es zu einer Stauungspapille kommen. Eine Vaskulitis des Gefäßsystems der Papille kann als Papillitis oder Neuroretinitis auftreten. Typisch ist das Papillenödem mit Gefäßeinschneidungen. Der entzündliche Zusammenbruch der Blut-Retina-Schranke in diesem Bereich führt zu einem Austritt lipidhaltiger Flüssigkeit. Dies führt zum charakteristischen Makulastern. Bei zu später Diagnose kann die intraokulare Entzündung auf alle Schichten der Uvea übergreifen. Eine Augenbeteiligung durch extraokulare Manifestation zeigt sich auf verschiedene Weise im Rahmen von Hirnnervenparesen. Häufig ist dabei die Lähmung des siebten Hirnnervs (Nervus facialis), die durch eine Beeinträchtigungdes Lidschlusses zu entsprechenden Hornhautoberflächenschäden führt.

Die regionale Bedeutung der Lyme-Borreliose richtet sich nach der Größe und Ausbreitung der Endemiegebiete in Deutschland, Schweiz und Österreich. Etwa jede fünfte Zecke trägt den Erreger der Borreliose in sich. Der Erreger der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) wird ebenfalls über den Speichel der Zecke übertragen. Rund zehn Prozent der infizierten Patienten bleiben schwer behindert. Für ein Prozent endet die FSME Erkrankung tödlich. So empfiehlt sich, vom Frühjahr bis zum Spätherbst an Waldrändern und hohen Wiesen enge, helle und lange Kleidung zu tragen. Zuhause sollten dann auch die Haustiere nach Zecken untersucht werden, denn die Zecken wandern nicht selten vom Tier auf den Menschen.

Abb.2: Zecke – Beispielbild

Ob der Biss einer infizierten Zecke zu einer Borreliose führt, hängt von der Menge des spirochätenhaltigen Verdauungssekretes der Zeckeab, das in die Wunde gerät. Daher ist die Verweildauer in der Haut ausschlaggebend. Sollte eine Zecke am Körper entdeckt werden, gilt sie schnellstmöglich, mit einer feinen Pinzette zu entfernen. Die Behandlung einer saugendenZecke mit Öl, Klebstoff oder Ähnlichem muss unbedingt unterbleiben, da hierdurch die Ausscheidung von Verdauungssekret angeregt wird und die Wahrscheinlichkeit der Borrelienübertragung steigt. Gegen Borrelien gibt es keine Immunität. Man kann sich mehrfach infizieren und auch mehrere Borreliosen verschiedener Stadien gleichzeitig haben. Einen Impfstoff gegen Borreliose gibt es für Menschen in Europa nicht. Lyme-Borreliose ist nicht direkt ansteckend.

Fazit

Aufgrund der genauen Anamnese und dem pathologischen Systemkomplex konnte eine verantwortungsbewusste Zuweisung an die Augenklinik Freiburg erfolgen. Durch die Behandlung der Grunderkrankung wurde die Sehleistung der Kundin wieder verbessert.  

Autor:

Randy Freitag

– GermanEyeCare –

Hoffmannoptik e.K. – Augenoptisches Kompetenzzentrum im Markgräflerland

EurOptom, Augenoptiker-Meister, Heilpraktiker

veröffentlicht: Deutsche Optikerzeitung - 3/2014