Anzeige

Nadja Bobyleva "Bis ich meinen Vater kennenlernte, fühlte ich mich nie komplett"

Nadja Bobyleva
Nadja Bobyleva
© imago images
Nadja Bobyleva wuchs ohne Vater auf, vor ein paar Jahren machte sie sich auf die Suche nach ihm. Ein Gespräch über Familie, Heimat und das neue Normal.

Nadja Bobyleva, 37, wurde in Russland geboren. Als sie neun Jahre alt war, zog sie mit ihrer Mutter Natalia Bobyleva nach Deutschland. Sie nahm Schauspielunterricht an diversen Einrichtungen und wurde schnell als Nachwuchsschauspielerin gefördert. 2004 folge die Belohnung: Nadja Bobyleva wurde mit dem Günter-Strack-Fernsehpreis für ihre Rollen in den TV-Produktionen "Der Freund meiner Mutter", "Raus ins Leben" und "Tatort – Janus" ausgezeichnet. Vor ein paar Jahren machte sie sich, begleitet von Kameras, auf die Suche nach ihrem Vater. Entstanden ist der Kurzfilm "Vater. Mutter. Ich.".

Nadja Bobyleva: "Als ich meinen Vater zum ersten Mal traf, war er sehr krank"

GALA: Sie haben Ihren Vater nie kennengelernt und sich vor ein paar Jahren in Russland und der Ukraine auf die Suche nach ihm gemacht. Wie war es, ohne Vater aufzuwachsen?
Nadja Bobyleva: 
In meinem Fall war es nicht gut. Ich hätte eine zweite Person gebraucht, die ein Gegengewicht zu meiner Mutter darstellt. Aber ich hatte glücklicherweise immer Menschen um mich herum, da wir wie in einer WG lebten. Wir waren eine relativ große Familie und ich hatte einen Großvater, der sehr wichtig für mich war. Doch mir fehlte trotzdem diese väterliche Energie und bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich ihn kennengelernt habe, habe ich mich auch nie "komplett" gefühlt.

Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten: Hätten Sie dann schon früher nach Ihrem Vater gesucht?
Ich wäre vielleicht einige Monate früher gefahren, denn als ich ihn antraf, war er sehr krank und ich konnte wenig mit ihm kommunizieren. Ein paar Monate eher hätte ich ihn noch einige Dinge fragen können und ihn vielleicht besser kennengelernt. Doch es hat alles einen Grund und somit habe ich einen Mann kennengelernt, wie ich ihn mir immer vorgestellt habe: Herzlich und warmherzig.

Was verbindet Sie und Ihren Vater?
Ich kann es leider nicht genau sagen, da ich nicht viel über ihn herausfinden konnte. Wir haben die gleiche Haar- und Augenfarbe. Er spielt Akkordeon … Das ist ungefähr alles, was ich weiß. Ich kann nur annehmen, dass meine Liebe zur Musik von ihm kommt.

"Viele meiner Freunde hören monatelang nichts von mir"

Was bedeutet für Sie Heimat?
Heimat ist dort, wo ich mich wohlfühle. Sie ist überall und meistens in mir selbst. Da ich viel umgezogen bin, fühle ich mich überall zu Hause und nirgends richtig zugehörig. Viele meiner Freunde hören monatelang nichts von mir, weil ich in einer anderen Stadt oder einem anderen Land bin. Dort, wo ich mich gerade aufhalte, tauche ich komplett ab. Meine engsten Freunde kennen das schon und nehmen es mir nicht übel. Somit ist das Wiedersehen mit ihnen immer so, als wären wir nie getrennt gewesen.

Wie erleben Sie die Coronakrise? Mussten Sie mit Existenzängsten kämpfen?
Ja und nein. Ich hatte zum Glück Arbeit, die mich durchgebracht hat, aber Ängste hab ich immer. An sich war es ein gutes Jahr für mich. Anfangs sah es auch für die Natur gut aus. Den ersten Lockdown hab ich für die Umwelt sehr gefeiert. Endlich weniger Umweltverpestung. Allerdings ist es nun noch schlimmer mit all den Regularien, die zu viel mehr Müllproduktion führen. Mein Kurzfilm ist sehr erfolgreich auf Festivals angelaufen und hat einige Preise gewonnen. Somit hab ich meinen ersten "offiziellen" Schritt in die Regie und Produktion geschafft und habe einen neuen Weg begonnen. Dieses Jahr fühlt sich an, als würde etwas Altes sterben und gleichzeitig etwas Neues geboren werden. Wenn man es akzeptiert, dann kann es nur gut werden.

Was vermissen Sie aktuell am meisten?
Gut essen und ins Kino gehen. Auch wenn jeder versucht, das "normale" Leben weiter aufrecht zu halten, mit Bestellung und Streaming-Diensten, kann es doch nicht das echte Erlebnis ersetzen. Kino ist ein besonderes Erlebnis, das kann man zu Hause nicht nachbilden. Miteinander das Essen zu teilen ist Nähe. Das fehlt sehr.

Worauf freuen Sie sich im kommenden Jahr?
Auf die Kurzfilme, die ich innerhalb meines neuen Filmproduktion-Studiums machen darf. Ich freu mich auf das Studium und das neue Wissen. Und darauf, wieder zu reisen, wenn es irgendwann hoffentlich wieder gehen sollte. Ich liebe es, die Welt neu zu entdecken, es gibt einfach so viel zu sehen, was dieser Planet zu bieten hat. Allerdings habe ich wegen Corona auch tolle Orte in Deutschland entdeckt und bin sehr glücklich darüber.

Nadja Bobyleva ist aktuell in "Harter Brocken: Die Fälscherin" in der ARD-Mediathek zu sehen.

Verwendete Quellen: eigenes Interview

Gala

Mehr zum Thema

Gala entdecken

VG-Wort Pixel