Akromegalie: Mein Leben mit Riesenwuchs

Akromegalie: Mein Leben mit Riesenwuchs

„Mein Leben ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen.“ Katrin S. (56) leidet an der seltenen Krankheit Akromegalie. Ein bekannter Patient war „Beißer“ Richard Kiel aus James Bond. Zuerst fälschlicherweise als Rheuma eingestuft, wurde bei Katrin schließlich der sogenannte Riesenwuchs diagnostiziert. Was die Schockdiagnose für sie bedeutete – lesen Sie die bewegende Patientengeschichte.

Akromegalie Riesenwuchs Patientengeschichte
Akromegalie: Mein Leben mit Riesenwuchs
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Wie alles begann: Diagnose Rheuma

Starke Müdigkeit, schmerzhafte Gelenkbeschwerden, immer weniger belastbar, übermäßiges Schwitzen – mit diesen lebenseinschränkenden Beschwerden musste sich Katrin S. aus Mecklenburg-Vorpommern über 20 Jahre ihres Lebens arrangieren. Denn die Ärzte konnten ihr nicht weiterhelfen. Aufgrund der Gelenkbeschwerden wurde sie Ende der 80-iger Jahre als Rheumapatientin eingeordnet und auch behandelt. Zu dieser Zeit arbeitete sie, trotz der ständigen Müdigkeit, als Krankenschwester häufig im Nachtdienst. Ihr Schlafbedürfnis nahm nach der Geburt ihres Kindes weiter zu und auch sportlichen Aktivitäten wie Radfahren oder Wandern, eine ihrer größten Leidenschaften, konnte sie nicht mehr nachgehen. An beiden Händen entwickelte sie zudem ein Karpaltunnelsyndrom. Obwohl sie kaum noch belastbar war, schwitzte sie sehr stark, sodass sie sich teilweise bis zu viermal am Tag umziehen musste.

Diagnose Akromegalie, auch als Riesenwuchs bekannt

Katrin suchte wegen der verschiedenen Beschwerden und weil sie sich nicht einfach in dieses Schicksal fügen wollte in all den Jahren nicht nur regelmäßig ihre Hausärztin auf, sondern suchte auch Rat bei anderen Ärzten verschiedener Fachrichtungen. Dazu gehörten Orthopäden, Rheumatologen und sogar einen Lungenfacharzt. Aufgrund des starken Schwitzens wandte sie sich im Jahr 2006 erneut an ihre Hausärztin. Sie äußerte den Verdacht, dass ihr Hormonhaushalt dafür ausschlaggebend sei und überwies sie an eine Gynäkologin.

Diese erinnerte sich bei Katrins Krankheitsbild an einen ähnlichen Fall aus ihrer Studienzeit von vor 25 Jahren. Die Frauenärztin vermutete, dass Katrin an Akromegalie leidet. Dabei produziert ein gutartiger Tumor, der in der Hirnanhangsdrüse sitzt, vermehrt Wachstumshormon. Dadurch kann es zu Vergrößerungen von Händen und Füßen sowie Veränderungen an inneren Organen und des Stoffwechsels kommen. Auch das Karpaltunnelsyndrom an beiden Händen ist typisch für diese seltene Erkrankung. Zur Abklärung der Verdachtsdiagnose überwies sie Katrin an einen Endokrinologen. Dieser diagnostizierte bei ihr am Ende des gleichen Jahres die Erkrankung „Akromegalie“. Für Katrin war die Diagnose ein Schock.

Verschlechterung des Krankheitsbildes trotz Diagnose

Der Diagnose schloss sich eine Operation an, um den Tumor, der für die vielfältigen Symptome bei Katrin verantwortlich war, in der Hirnanhangsdrüse zu entfernen. Dabei konnte der Tumor nicht vollständig entfernt werden. Das Krankheitsbild verschlechterte sich weiter. In dieser Zeit ihres Lebens fühlte sie sich, als ob ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hätte. Denn neben ihrer Erkrankung musste sie sich zusätzlich mit teilweise verständnislosen Mitarbeitern von verschiedenen Behörden auseinandersetzen, die auch immer wieder mit der Einstellung von Leistungen drohten. In der sich nach der Operation anschließenden Reha kannten weder Ärzte noch Pflegepersonal das Krankheitsbild, sodass Katrin die Aufklärung über ihre Erkrankung selbst übernehmen musste. Auch ihren Beruf als Krankenschwester konnte sie nicht weiter ausüben, weshalb eine Berufsunfähigkeit zur Diskussion stand. Die Frührente wurde ihr aber immer nur für ein Jahr bewilligt, sodass sie nach der Reha eine Umschulung antrat. „Mein Leben ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen“, beschreibt Katrin ihre damalige Lebenssituation.

Hilfe durch Selbsthilfe

Halt gab ihr nur eine Selbsthilfegruppe, deren Flyer sie zufällig während eines Krankenhausaufenthaltes im Jahr 2006 fand. Die Selbsthilfegruppe bot ihre Unterstützung an. Offen über ihre Ängste konnte Katrin nur mit den Mitgliedern der Selbsthilfegruppe reden, die für sie Verständnis hatten. Katrin: „Die Selbsthilfegruppe hat mich aufgefangen.“ Der einzige Mensch, der sie damals verstanden hat, war ein anderer Akromegaliepatient. Ihre Familie wollte Katrin nicht mit ihren Ängsten über ihre Erkrankung belasten. Trotzdem machten sich die Kinder immerzu Sorgen, da sie ihrer Mutter nicht helfen konnten.

Das Leben mit Akromegalie

Katrin kann jetzt wieder aktiv am Leben teilnehmen. Sie hat wieder Spaß am Leben und unternimmt mit Freunden Wanderungen und Radtouren. Das fehlende Bewusstsein für diese seltene Erkrankung hat den Krankheitsverlauf von Katrin selbst nach Diagnosestellung erschwert. Erst als sie neben der richtigen medikamentösen Behandlung auch die emotionale Hilfestellung erhielt, wurde ihr Leben wieder in die richtige Bahn gelenkt.

Was genau ist Riesenwuchs Akromegalie?

Bei der Akromegalie handelt es sich um eine erworbene Erkrankung, bei der vermehrt Wachstumshormon (Somatotropin) produziert wird. Ursächlich dafür ist ein gutartiger Tumor in der Hirnanhangsdrüse, ein sogenanntes Hypohphysenadenom. Dieses produziert unkontrolliert Wachstumshormon, wodurch es zu einer Vergrößerung der Körperendglieder (= Akren, z.B. Hände, Füße oder Zunge) und zu charakteristischen Veränderungen der Gesichtszüge sowie zu vielfältigen anderen Symptomen, wie Erschöpfung, übermäßiges Schwitzen, Weichteilschwellungen oder Gelenkschmerzen kommen kann. Bei einer Akromegalie können auch weitere Begleiterkrankungen vorkommen. Dazu gehören Bluthochdruck, Schlafapnoe, Glukoseintoleranz oder Diabetes, als auch Muskelschmerzen.

Die Akromegalie gehört zu den seltenen Erkrankungen. In Europa sind ca. 5-7 von 100.000 Menschen erkrankt.

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