Wie erkläre ich’s meinem Kind? :
Warum es im Winter so schöne Sonnenuntergänge gibt

Lesezeit: 3 Min.
Fraglos ganz besonders schön: Sonnenuntergang am Donnerstagabend über dem West Park im englischen Long Eaton
Als wollte uns der Winter für die wenigen Sonnenstunden entschädigen, beschert uns diese Jahreszeit die schönsten Sonnenuntergänge. Deren Farbenpracht hat einen einfachen Grund mit einem komplizierten Namen.

Langsam merken wir es auch: Es bleibt wieder länger hell. Kurz vor Weihnachten war der kürzeste Tag des Jahres, die Wintersonnenwende. Das heißt, auf der nördlichen Halbkugel der Erde wird die Zeit zwischen Sonnenauf- und -untergang* wieder länger. Nicht mehr als ein paar Minuten sind es jeweils pro Tag, und wenn man nicht genau darauf achtet, dauert es eine ganze Zeitlang, bis es uns von allein auffällt. Mehr als sechs Wochen ist die Wintersonnenwende jetzt her, und sechs Wochen können eine solche Zeitlang sein.

Wenn wir viel mehr drinnen sind als sonst, weil das Wetter so schlecht ist und in der Corona-Zeit gerade auch die Wege zur Schule und wieder zurück – oder zur Arbeit und wieder zurück – ausfallen, kann es gut sein, dass uns die Sonne gerade ganz besonders fehlt. Fürs Gemüt, aber auch für die körperliche Gesundheit, denn wir Menschen brauchen das Sonnenlicht, um selbst in unserem Körper das Vitamin zu erzeugen, das wichtig für den Knochenbau und unser Immunsystem ist, das Vitamin D.

Als wollte uns der Winter für die wenigen Sonnenstunden entschädigen, beschert uns diese Jahreszeit die schönsten Sonnenuntergänge. Und man muss nicht einmal extra lange aufbleiben, um sie zu sehen. Wenn die Wolken sie nicht gerade verstecken, taucht die sinkende Wintersonne die Landschaft, die Häuser, die Wolken, uns in wunderbar warme Farben: satte Gelb-, fast Orangetöne, wenn man in den Himmel schaut auch Rosa und Lila sind zu sehen. Ein Schauspiel, an dem man sich fast nicht sattsehen kann. Woher kommt das?

F.A.Z.

Die Atmosphäre umgibt die Erde wie eine schützende Hülle. Wenn die Sonne hoch am Himmel steht, ist der Weg der Sonnenstrahlen durch die zur Erde hin immer dichter werdenden Luftschichten vergleichsweise kurz, morgens und abends sehr viel länger. Man hat einen ganz guten Vergleich, wenn man eine Orange nimmt und sich vorstellt, die Schale sei die Atmosphäre. Wer mit einer Stecknadel direkt von oben durch die Schale sticht oder schräg von der Seite, merkt: Von der Seite dauert es länger, bis die Nadel die Schale durchstochen hat und am Fruchtfleisch ankommt.

Das Sonnenlicht besteht aus einer Mischung von Lichtwellen unterschiedlicher Wellenlänge, die wir als unterschiedliche Farben wahrnehmen. Die Farben des Lichts sind noch mehr, als wir mit unseren Augen sehen können. Wie viele Farben wir im Sonnenlicht sehen können, merken wir beim Regenbogen: Da wird das Licht durch Regentröpfchen in dieses wunderbare bunte Farbspektrum aufgeteilt. Das Licht wird gestreut, sagt man, sortiert nach der Länge der Wellen. Violett und Blau auf der Innenseite des Regenbogens haben die kürzeste Wellenlänge, Orange und Rot auf seiner Außenseite die längste. Wenn es nicht gestreut wird, wenn alle Wellenlängen auftreten, dann sehen wir das Licht schlicht als weiß.

Auch Luftmoleküle* nehmen die Lichtwellen auf und senden sie wieder in alle Richtungen aus, auch sie streuen die Lichtwellen auf ihrem Weg durch die Atmosphäre, aber nicht alle gleich stark: Kürzerwelliges Licht wird stärker gestreut als längerwelliges. Beim Untergehen wirkt die Sonne rot, weil die kurzwelligen Anteile ihres Lichts, das Blau und Violett, auf diese Weise sozusagen herausgefiltert sind, wenn uns die Strahlen erreichen. Der Anteil an Gelb-, Orange- und Rottönen überwiegt.

Im Winter kommt manchmal noch eine Besonderheit hinzu, für die die Experten ein ziemlich kompliziertes Wort haben: Inversionswetterlage heißt es. Inversion ist das lateinische Wort für Umkehrung, und eine Inversionswetterlage besteht dann, wenn nicht wie sonst die Luft in Bodennähe am wärmsten ist, weil das Sonnenlicht dort seine Energie an das abgibt, worauf es trifft. Normalerweise wärmt sich die Luft am Boden auf, steigt dann nach oben und kühlt sich oben ab. Dass warme Luft nach oben steigt, kann man bei Heißluftballons erkennen oder wenn man in der Zeit, in der in den Wohnungen geheizt wird, mal auf den Schultern der Eltern mit der Hand die Wärme der Luft ganz oben unter der Zimmerdecke fühlt.

Bei einer Inversionswetterlage ist es also umgekehrt, das Sonnenlicht wird nicht so stark wie sonst aufgenommen, sondern wieder zurückgestrahlt, zum Beispiel von Schnee, oder der Boden ist so kalt, dass die Sonnenenergie nicht dagegen ankommt: dass sie nicht ausreicht, um die Luft in Bodennähe zu erwärmen. Die kalte Luft steigt natürlich nicht auf, das macht ja nur die warme, der Austausch der Luftschichten findet also kaum statt, und besonders viele kleinste Tröpfchen und Partikelchen bleiben in Bodennähe, wo sie das rötliche Abendsonnenlicht spiegeln und so verstärken: die prächtigen, warmen Farben des Sonnenuntergangs.

Die haben übrigens eine beruhigende Wirkung auf uns: Bei diesen Lichttönen entspannen wir uns eher als bei gleißendem Tageslicht, und abends mal schon durch das veränderte Sonnenlicht ein bisschen runterzukommen, ist doch eine schöne Sache.

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* Anmerkung der Redaktion: Ungenauigkeiten einer früheren Fassung des Beitrags wurden korrigiert. Wir danken den Leserinnen und Lesern für den Hinweis.