Kranke Frau sitzt auf dem Bett und schnäuzt sich, um sie herum liegen benutzte Taschentücher und diverse Medikamente
Das Corona-Infektionsgeschehen ist aufgrund des warmen Wetters noch ruhig, aber es zirkulieren viele andere Krankheitserreger, vor allem Rhino-Viren.
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Im Büro, in der Familie oder im Bekanntenkreis: Gefühlt sind gerade besonders viele Menschen am Kränkeln - und das Gefühl täuscht nicht, wie die Daten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zeigen. Vergangene Woche wurden der ÖGK knapp 220.000 Krankenstände gemeldet, die Woche zuvor waren es noch rund 20.000 weniger.

Frage: Ist das schon der Beginn der Corona-Herbstwelle?

Antwort: Nein, nicht zwingend. Die allermeisten Erkrankten liegen mit einem grippalen Infekt zu Hause. Das ist ein Phänomen, das man schon lange kennt, die sogenannten September-Epidemics. "Wenn die Sommerferien vorbei sind, alle aus dem Urlaub zurückkommen und die Schule wieder startet, steigen die Infektionszahlen", erklärt Volker Strenger, Kinderarzt an der Klinischen Abteilung für allgemeine Pädiatrie an der Med-Uni Graz. Das betrifft nicht nur Coronaviren, die halten sich aktuell noch im Hintergrund. Am Zentrum für Virologie der Med-Uni Wien beobachte man vermehrt Infektionen mit Schnupfenviren. "Das ist typisch für den Herbst. Zuerst steigen die Rhinovirus-Infektionen, gegen Jahresende startet dann die RSV- und Influenza-Saison", erklärt Virologe Christoph Steininger.

Frage: Aber steigen laut Abwassermonitoring nicht auch die Corona-Zahlen?

Antwort: Ja, das Monitoring des Gesundheitsministeriums zeigt einen Anstieg, möglicherweise den Beginn der Herbstwelle. Diesen Daten gegenüber ist Steininger allerdings skeptisch: "Man denke an die Urlaubszeit. Viele Leute waren bis zuletzt nicht in der Region, in der das Abwasser erfasst wird. Mir sind da zu viele Fragezeichen." Die Abwasserdaten könnten ein Anhaltspunkt sein, sollten jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Tatsächlich hat das Abwassermonitoring zuletzt bei einigen für Verwirrung gesorgt. Jenes des Gesundheitsministeriums zeigte einen Anstieg, vonseiten der Stadt Wien vermeldete man hingegen eine sinkende Viruslast im Abwasser.

Die Corona-Viruslast im Abwasser im Verlauf der vergangenen zwölf Monate.
Die Corona-Viruslast im Abwasser im Verlauf der vergangenen zwölf Monate.
Abwassermonitoring Dashboard / Der Standard

Frage: Wie kann das sein? Und was stimmt nun?

Antwort: Das liegt wohl an unterschiedlichen Messmethoden. Bei der Stadt Wien werden dreimal wöchentlich an sieben Stellen Proben entnommen. Einmal wöchentlich stimmen sich Fachleute dann ab, wie die erfassten Daten zu interpretieren sind. Denn nach einem starken Regen ist die Virenfracht im Abwasser etwa sehr verdünnt. Im Monitoring der Stadt Wien werde die gemessene Viruslast demnach kontextualisiert. Beim Bundesmonitoring werden hingegen Tageswerte erfasst. Das Monitoring der Stadt Wien dürfte daher präziser sein.

Generell fehlt es aber an Daten zur Erkältungssaison. "Andere Virusinfektionen werden nur sehr schlecht erfasst", kritisiert Steininger und plädiert für ein systematisches, bundesweites Monitoring. Aktuell werden über das Frühwarnsystem des Gesundheitsministeriums nur die stationären Aufnahmen mit schweren Atemwegsinfektionen registriert. Das sei zu wenig.

Frage: Es kursiert die Information, dass die aktuellen Corona-Varianten vor allem zu Magen-Darm-Beschwerden führen. Stimmt das?

Antwort: "Das war bei allen Varianten, die wir in Österreich hatten, ein mögliches Symptom", stellt Molekularbiologe Ulrich Elling klar. Auch in anderen Ländern, in denen die neuen Varianten schon länger zirkulieren, seien bisher keine neuen auffälligen Symptome gemeldet worden.

Dass eine Corona-Erkrankung nicht immer mit Erkältungssymptomen startet, weiß man schon seit Beginn der Pandemie. "Gerade bei Kindern kann es zu Problemen im Magen-Darm-Trakt führen", sagt der Kinderarzt Volker Strenger. Das liegt daran, dass das Virus an den ACE2-Rezeptoren an der Zelloberfläche andockt. Ebendiese Rezeptoren befinden sich nicht nur in den Atemwegen, sondern auch im Darm. Deshalb kann es zu Durchfall kommen.

Frage: Kann man schon abschätzen, wie der Corona-Herbst wird?

Antwort: Im Moment ist EG5.1 die dominante Variante in Österreich. Die Pirola-Variante, die Fachleute mit Sorge beobachten, ist in Österreich noch nicht angekommen - zumindest nicht offiziell. "Aber wenn wir nicht sequenzieren, können wir nichts finden. Ich gehe davon aus, dass es auch bei uns zirkuliert", glaubt Elling. Eine große Rolle werde es derzeit noch nicht spielen.

Aber bald werden die Zahlen steigen, prognostizieren Fachleute. "Die USA und Großbritannien sind bereits mitten in der Welle. Bei uns ist es aufgrund des warmen Wetters noch ruhiger", erklärt Elling. Aber je länger diese Ruhe anhält, desto mehr Immunität wird abgebaut, betont er: "Die Immunität ist bildlich gesagt ein Fass mit vielen Löchern. Wenn zu viel Wasser rausläuft, sollte es wieder gefüllt werden. Das ginge jetzt mittels Impfung sehr gut." Das Impfgremium empfiehlt allen ab zwölf Jahren eine Corona-Impfung, mehr Infos dazu finden Sie hier.

Auch eine Influenza-Impfung ist allgemein empfohlen, vor allem für alle ab 60. "Leider sind die Influenza-Impfraten auch unter Leuten im Gesundheitswesen ähnlich niedrig wie in der Allgemeinbevölkerung", berichtet Steininger. Dazu kommen der Pflegenotstand und die Personalengpässe bei Ärztinnen und Ärzten: "Diese Kombination wird den Herbst schwierig machen."

Frage: Was bedeutet das konkret für die Lage im Gesundheitssystem?

Antwort: Die Akutversorgung ist gesichert, heißt es aus allen Bundesländern. Aber die Personalsituation ist in den meisten Spitälern angespannt. In Kärnten könnte es deshalb zu Verschiebungen von planbaren Eingriffen kommen.

In Wien steigen nach einem Sommer mit wenig Corona-Erkrankten die Zahlen nun laut Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) wieder an. In den Spitälern des Wigev sind im Moment 949 Betten gesperrt. Zum Vergleich: Ende 2022, als besonders viele an der Grippe und an Corona erkrankt waren, waren 928 Betten gesperrt. Diese Zahl sei aber kein Indikator für die Versorgung der Patientinnen und Patienten, beteuert man vonseiten des Wigev. (Jasmin Altrock, Magdalena Pötsch, 20.9.2023)