Basler Fasnacht
Gefühlswelt der Waggis: Zwischen Enttäuschung, Wut und Kreativität

Einige können den Frust kreativ ummünzen, andere wollen die Comité-Obfrau stürzen.

Fabian Schwarzenbach
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Die Wäägeli-Parade – im Bild die Bebbi Waggis – entschädigte die Wenigsten für den ausgefallenen Cortège.

Die Wäägeli-Parade – im Bild die Bebbi Waggis – entschädigte die Wenigsten für den ausgefallenen Cortège.

Juri Junkov

«E jede kah jetzt d’Fasnacht voller Freud uf d’Strosse traage, usser bisch en arme Siech und hesch e Waggiswaage», singen D’Gryysel in einem ihrer Verse. Einige Waggis sehen sich genau in dieser Opferrolle, haben resigniert und nicht an der diesjährigen Fasnacht teilgenommen. «Rund die Hälfte der Wagencliquen hat sich nicht angemeldet», sagt Roger Borgeaud.

Der Obma der Wage-IG ist aber überzeugt, dass mehr als die Hälfte trotzdem auf der Gasse war. Eine wilde Fasnacht machten etwa die Helvezia Strizzi: «Die Enttäuschung war bei allen spürbar», erzählt Vize-Obma Sacha Müller. «Es war eine gute Fasnacht, hat sich aber trotzdem nicht so richtig angefühlt», beschreibt Andi Haas von den Gläbbere Waggis und ergänzt: «Gefehlt hat uns die Vorbereitungszeit in der wir als Gruppe am Wagen arbeiten.» Der Wagenbau habe den gleichen, wenn nicht sogar einen etwas höheren Stellenwert als der Cortège selber.

Gläbbere Waggis mit Gender Wahn an der Basler Fasnacht 2017.

Gläbbere Waggis mit Gender Wahn an der Basler Fasnacht 2017.

Martin Toengi

Wäägeli-Parade als würdige Alternative

Dem stimmt Christian Schäfer von den Chegelwaggis zu: «Der Wagenbau und vor allem die Wagentaufe haben gefehlt.» Gerade der traditionelle Taufanlass sei eine tolle Einstimmung auf die Fasnacht. «Eine Fasnacht auf einem Wagen kann man natürlich nicht ersetzen, aber die Wäägeli-Parade hat uns unglaublich viel Freude bereitet. Es war eine würdige Alternative», schreibt Jonas Kiefer von den Warteck-Rueche, die die Wäägeli-Parade organisiert haben.

Wagen der Chegelwaggis an der Fasnacht 2018.

Wagen der Chegelwaggis an der Fasnacht 2018.

Kenneth Nars

Gefallen hat die Parade den meisten, einzig Müller macht auf einen wunden Punkt aufmerksam: «Die Unfallgefahr ist grösser. Wenn man ein Wäägeli zieht, sieht man unter der Larve die Kinder fast nicht, die sich für ein Dääfeli bücken». «Es ist eine Umstellung für alle», meint Roger Borgeaud und macht keinen Hehl daraus, dass er und die IG enttäuscht sind. Auch ein bisschen vom Fasnachts-Comité und der Obfrau Pia Inderbitzin.

Roger Borgeaud, Obma Wage-IG: «Wir haben ein gutes Einvernehmen mit dem Fasnachts-Comité.»

Roger Borgeaud, Obma Wage-IG: «Wir haben ein gutes Einvernehmen mit dem Fasnachts-Comité.»

Zvg

Unterschriftensammlung angekündigt, mit dem Ziel die Obfrau des Comités zu stürzen

Das geben viele Wäägeler offen und weniger offen zu. Allerdings betont der IG-Obma, dass «wir mit dem Fasnachts-Comité ein gutes Einvernehmen haben». Offensichtlich will hier kein Wäägeler dieses aufs Spiel setzen. Trotzdem wurde gegenüber der bz eine Unterschriftensammlung angekündigt, mit dem Ziel die Obfrau des Comités zu stürzen. Als Urheber dieser Sammlung wurde die Wagen-IG angegeben. Deren Obma verneint, dass diese Sammlung von der Wagen-IG organisiert wurde. «Das würden wir zuerst im Vorstand besprechen.»

Die meisten angefragten Waggis-Vertreter wissen nichts davon und reagieren eher irritiert. Härter ins Gericht geht einzig Daniel Schaufelberger von den Gülle-Waggis, allerdings mit der Wagen-IG selber: «Unseres Wissens gibt es viele Austritte aus der IG und die Almosen nahmen wir nicht an.» Mit Almosen meint er beispielsweise die Teilnahme am Guggen-Sternmarsch. «Trotzdem ist es eine schöne Fasnacht», sagt er und seine Kollegen nicken.

Inderbitzin lobt den Einfallsreichtum

«Wir haben versucht eine Fasnacht für alle zu organisieren, das ist nicht gelungen», kommentiert Pia Inderbitzin. Vom Gerücht einer Unterschriftensammlung hört sie erstmals durch die Anfrage der bz. Sie lobt die Kreativität der Wäägeler und freut sich über die Initiative der Wäägeli-Parade. Alle seien sich einig, dass die Waggis auf die neuen Anordnungen von Regierung und Comité schnell reagiert hätten.

«Wir haben versucht eine Fasnacht für alle zu organisieren, das ist nicht gelungen», kommentiert Pia Inderbitzin.

«Wir haben versucht eine Fasnacht für alle zu organisieren, das ist nicht gelungen», kommentiert Pia Inderbitzin.

Kenneth Nars

Ihr Frust sei in tolle Ideen umgemünzt worden. «Vor allem jene, die mit typischem Basler Humor reagiert haben, werden dafür bewundert. Das Publikum ist begeistert und freute sich, für einmal den Waggis etwas näher zu kommen.» Dass nun vereinzelte Wagencliquen und ihre Exponenten «drey Dääg Wuet» hatten, sei bedauerlich. Mit Unterschriftensammlung und Austritt aus der Wagen-IG werde die Fasnacht 2022 aber nicht besser, findet Inderbitzin.

Interessante Erfahrung

«Das mit den Wäägeli war eine interessante Erfahrung, aber jetzt freuen wir uns auf unseren Wagen und dann die Fasnacht 2023», resümiert ein Waggis, dem die Diskussion sichtlich zu bunt wird. Er zieht die Larve ein letztes Mal über den Kopf, packt eine Hampfle Räppli und stürmt ins Getümmel.