• Kultur

Gölä aus Oppligen: Gute Schweizer, schlechte Schweizer

Quelle
Der Bund

Gölä legt mit "Stärne" ein beklagenswertes neues Mundartalbum vor. Aus dem Büezer-Rocker von einst ist ein veritabler Rechtsrocker geworden.

da9ccc8baed3dc26faca1e3194485f57.jpg
da9ccc8baed3dc26faca1e3194485f57.jpg
War sein politisches Poltern bisher eher ein Nebenschauplatz, geht es nun nahtlos in seine Musik über. (Bild: zvg)
da9ccc8baed3dc26faca1e3194485f57.jpg
Es hat schon fast rituellen Charakter: Kurz vor Veröffentlichung eines neuen Tonwerks schnellt der oberste Rechtsrocker vor die «Blick»-lesende Öffentlichkeit und redet wieder einmal «Klartext». «Die Schweiz ist überbevölkert», tönte es schon vor einigen Jahren aus Göläs Mund, die Todesstrafe müsse wieder eingeführt werden, jeder anständige Bürger solle eine Waffe zu Hause haben, und der Klimawandel sei dringend zu hinterfragen.

Vor einigen Wochen – zur Einstimmung auf sein neuestes Album «Stärne» – legte er im markigen Wutbürger-Ton nach: Die Schweiz sei zu links, das Volk sei verweichlicht, die EU des Teufels. Und er teilte sein Vaterland kurzerhand in Gut und Böse ein: Gut sei, wer – wie er selber – zwölf Stunden am Tag rackere. Schlecht seien jene, die darob ein Burn-out oder ein «undefinierbares seelisches Problem» erlitten. Gut seien die Bauarbeiter und die Metzger, welche dieses Land zusammenhielten. Schlecht die Sozialhilfebezüger, die Studierten, die Pädagogen und die Philosophen, die nichts von harter Arbeit verstünden.

Sozialneid mit Fanfaren

Ja, so sieht sie aus, die Welt des Marco Pfeuti aus Oppligen. Und für jene, die es immer noch nicht verstanden haben, für die hat Gölä das Eröffnungslied seines neuen Albums geschrieben. «I wärche hert» heisst es. Die Kernbotschaft: Er würde sein Geld lieber im Cheminée verfeuern, als es denen in Bern oben zu entrichten.

Als Ankurbler seines Zorns dient ihm ein «Penner», der ihm auf dem Weg zur Arbeit begegnet und der sich ein Denner-Bier genehmigt. Gölä glaubt – aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen –, dass sein Steuergeld vornehmlich diesem Obdachlosen und anderen faulen «Arschbacken» zugute komme. Und so ruft er zur Revolution auf und kündigt an, mit diesem Pack aufräumen zu wollen (etwaige weltanschauliche Parallelen zu einem allseits bekannten amerikanischen Präsidentschaftskandidaten sind bestimmt rein zufällig).


«I wärche hert» ist kein gutes Lied. Es fusst auf furchtbar abgefingerten Rock-’n’-Roll-Riffs, dazu hämmert sein Keyboarder Martin Chabloz euphorische Digitalsynthesizer-Fanfaren in die Tasten, wie wir sie aus längst bewältigt geglaubten Hochkonjunktur-Hard-Rock-Zeiten kennen. Darüber mault Gölä seine Sozialneid-Fantasien und klingt dabei wie ein Bauarbeiter auf Speed.

Philosophie im Cowboyhut

Abgeleiert ist auch die Tonspur der weiteren 12 Songs auf diesem Album. Es ist der Niedergang der Fantasie, des Fortschritts, der Originalität und des Grooves (ausgenommen von Letzterem ist der Strophen-Part von «Dr Gring vom Tüüfu»). Aufgetischt wird hier reaktionär verzopfter und zu helvetischer Radiotauglichkeit aufgedonnerter Südstaatenrock, der ab und an ins Countryeske kippt und – anders, als man es zuweilen in diesem Genre hört – jegliche Anleihen an das Hippietum vermeidet. Die Musik rudert also ganz im ideologischen Fahrwasser seines Schöpfers.


Und auf jeden Takt folgt die nächste Rock-’n’-Roll-Plattitüde, und hinter jedem Refrain wartet der Sologitarrist auf seinen Grosseinsatz. Zur Auflockerung streut Gölä ein paar gefühlig gemeinte countrypoppige Schunkelballaden dazwischen (vermutlich eine künstlerische Spätfolge der Kooperation mit den Bellamy Brothers – Göläs Cowboy-Hut-Bekanntschaft aus Florida). Sie sind so nachlässig gedichtet, dass man dafür nicht einmal das Feuerzeug in die Höhe heben mag («U sit däm Tag, wo du mir hesch gseit / i söu nid truurig si, dass z Läbä witergeit / u sit du nümme da bisch bi mir / sit nümm so isch wies mau isch gsy / sit denn geit dä huärä Winter nümm verbii.»

Ein Blick in den Sternenhimmel macht den Gölä dann selber zu einem dieser – von ihm so verhassten – Philosophen. Allerdings zu einem, der keine wirklichen Erkenntnisse produziert. Seine staunende Weltbetrachtung («Stärne») endigt mit der resignierten Zeile: «Säg, was wüsse mir de scho?»


Poltern statt holpern

Es ist ein erstaunliches Schlingern zwischen Nachdenklichkeit und Furor, das der Oppliger hier vollführt. Gelassenheit hat sich in sein Leben nicht eingeschlichen. Er, der einst – wider alle musikalische Vernunft – vom Flachmaler zum Plattenmillionär aufgestiegen ist, zum Helden der Arbeiterklasse und des gemeinen Subaru-Fahrers, der die Schnauze voll hatte von der Musik-Bohème und von linkskritischem Liedermachertum.


Göläs Reime waren vielleicht ein bisschen holpriger, aber so war nun mal auch das Dasein, von dem sie erzählten. Doch aus dem Holpern ist ein Poltern geworden. Heute ist alles Kampf bei Gölä. Die Welt ist schlecht, die Schweiz ebenso, sein Sohn will kein Bier mehr mit ihm trinken, und sogar wenn er seine Geliebte anhimmelt, verkommt das zu einem Akt des Widerstandes gegen sämtliche Widrigkeiten der Welt: «I weiss, si säge, das mit üs wird nüt… / Ja, me weiss es / d Lüt rede viu, und das meischtens schlächt / Keis Wunger, gits eso viu Chrieg, so viu Leid und so viu Unrächt / Mir beidi gäge Räscht vo der Wäut / Mir alleini.»

Kein Talent zum Glück

So schlecht dieses Album auch ist, liefert es doch etwas Anschauungsstoff für Tiefenpsychologen und Polit-Analysten, die zu ergründen trachten, wie es zu diesem Volkszorn im ländlichen Milieu hat kommen können, der uns seit einigen Abstimmungen und Wahlen zum Staunen bringt. «I weiss nid, was es isch und was es chönnti si / aber irgendöppis fahrt mer ganz schreg i…», singt Pfeuti einmal. Es ist dieser Trotz aus dem Ungefähren, diese unbestimmte Sehnsucht des einfachen Mannes nach dem kleinen Glück, das Gölä ganz trefflich offenbart. Und wenn das kleine Glück mal da ist, dann kommt ihm wieder sein chronisches Fernweh in die Quere, nach einem Ort, wo alles besser ist.

Ach ja. Es gibt Menschen, die haben einfach kein Talent zum Glücklichsein. Gölä ist einer von ihnen. Er sehnt sich nach der grossen, weiten Welt, und zieht sich schon an den Problemchen der kleinen, engen Schweiz übelste Schürfwunden zu. Alben wie «Stärne» wird es noch viele weitere geben. So rückständig es ist – hat es gewissermassen bahnbrechenden Charakter: Es handelt sich um das hierzulande wohl erste Musik gewordene Kollateralprodukt einer weltweit zu beobachtenden rechtspopulistischen Enthemmung. Wenn es doch wenigstens gut klingen würde.

Gölä: «Stärne» (Earthbeat/tba)

[i] Siehe auch:

- Reberhaus Bolligen: Bäcker-Zmorge mit Gölä vom 6.10.2016
- Wichtrach - Gölä rockte in der Backstube vom 23.8.2016


Autor:in
Ane Hebeisen, "Der Bund"
Nachricht an die Redaktion
Statistik

Erstellt: 14.10.2016
Geändert: 14.10.2016
Klicks heute:
Klicks total: