Ehemalige Panzerhalle in Landau
- Autorin: Burkhard Franke
- Fotos: Matthias Fuchs
Hätten Sie Lust, in einer ausgedienten Panzerhalle aus der Nazizeit zu wohnen? Schon wegen des historischen Hintergrundes erscheint diese Vorstellung als eine einzige Zumutung, ganz zu schweigen von der wenig charmanten ursprünglichen Nutzung. Dass aus einer solchen Idee dennoch eine attraktive Adresse mit hohem Wohnwert entwickelt werden kann, beweisen die Stadt Landau in der Pfalz, der Investor Bösherz Immobilien und das Karlsruher Büro Krüger Architektur.
Kontext
Die Halle befindet sich am südlichen Stadtrand von Landau auf dem Gelände der ehemaligen französischen Kaserne „Estienne et Foch“ aus dem 19. Jahrhundert. Wo bis zur Jahrtausendwende monotone Gebäudezeilen das Bild prägten, bot sich nach dem Abzug der Franzosen die Möglichkeit, das militärisch genutzte Areal neu zu entwickeln. Mittlerweile entsteht hier mit dem Wohnpark Am Ebenberg ein sozial durchmischtes Quartier nach den Prinzipien der Gartenstadt mit aufgelockerter Bebauung und großzügigen Grünflächen.
Zerstörte Verglasung, viele Graffitis: Die Halle war vor der Sanierung in einem ruinösen Zustand, wurde aber als erhaltenswert eingestuft.
Bestand
Die Halle selbst steht nicht unter Denkmalschutz, wurde aber auf Betreiben einer Bürgerinitiative und aufgrund ihrer stadtbildprägenden Wirkung als erhaltenswert eingestuft. Es handelt sich um eine Stahlbetonkonstruktion über einer Grundfläche von 48 x 24 Metern mit einer Höhe von neun Metern. Neun Betonbinder in einem Sechs-Meter-Raster spannen von den Fassadenstützen auf eine V-förmige Mittelstütze und tragen das leicht geneigte Satteldach. Großformatige Glasfenster in der oberen Hälfte der Längsfassaden und ein Oberlichtband entlang des Firstes belichten die Halle, ergänzend sind die Stirnseiten des Gebäudes über die gesamte Höhe verglast. Ziel war es, möglichst viel Tageslicht zu nutzen und den Kunstlichtanteil so gering wie möglich zu halten. Nach über 25-jährigem Leerstand und einer kurzen Zwischennutzung als Ausstellungsraum während der Landesgartenschau 2015 war die Halle zuletzt in einem ruinösen Zustand, viele der Verglasungen zerstört, die Tore nicht mehr funktionstüchtig und die bodennahen Oberflächen mit Graffitis überzogen.
Wettbewerb
Der Entwurf von Krüger Architektur besticht durch seine städtebauliche Figur aus einer Zeile, einem Punkthaus und der umgenutzten Halle davor. Alle drei Gebäude werden ausschließlich für Wohnungen genutzt. In Anbetracht ihrer beträchtlichen Tiefe war die Ausrichtung der Halle auf dem Grundstück von Vorteil, weil Ost-West-orientierte Wohnungen an beiden Längsseiten angeordnet und schlecht belichtete Nord-Wohnungen vermieden werden konnten.
Umnutzung: „Haus im Haus“
Im Wettbewerbsentwurf entwickelt der Architekt für die Halle ein „Haus im Haus“-Konzept mit in das große Volumen eingestellten modularen Boxen. Sie folgen dem Stützenraster und bilden im Regelfall zweigeschossige Maisonettes. Jedem Fassadenfeld kann eine Wohnung zugeordnet werden, die sich über das Tor und das darüber liegende Fenster nach außen öffnet. Im Erdgeschoß bleibt ein Mittelgang ausgespart, der 12 der 15 Wohnungen barrierefrei erschließt. In der Gebäudemitte erweitert sich der Gang zu einer Art zweigeschossigem zentralen Atrium. Mächtige Betonstützen und die auf Konsolen aufgelagerte alte Kranbahn beherrschen den Raum und machen die ursprüngliche Höhe und die Konstruktion erlebbar.
An der Südost-Ecke markiert ein zweigeschossiges verglastes Foyer den großzügigen Haupteingang, der über einen Aufzug an die Tiefgarage angebunden ist. Ein zusätzliches kleines Treppenhaus an der gegenüberliegenden Stirnseite des Gebäudes erschließt im Obergeschoss zusammen mit dem Foyer drei Etagenwohnungen an den Gebäudeecken. Die Maisonettewohnungen variieren im Zuschnitt entsprechend ihrer Lage im Gebäude. In der Mitte grenzen sie an das zentrale Atrium und sind deswegen in ihrer Tiefe begrenzt, dafür geringfügig breiter. Die übrigen erstrecken sich im Obergeschoss bis in die Gebäudemitte und sind etwas schmaler geschnitten. Grundsätzlich folgen sie alle der gleichen Raumanordnung: Im rückwärtigen Bereich jeder Wohnung liegt eine Wendeltreppe, die beide Ebenen verbindet, daneben im EG der Eingangsbereich, darüber das Bad. Vorne an der Fassade ermöglicht der Wohn-/Essbereich einen direkten Zugang zum Garten, darüber befinden sich die Schlafräume.
Konstruktion
Im Unterschied zum ursprünglichen Entwurf des Architekten wurden die Wohneinheiten aus Kostengründen nicht als modulare Boxen aus Holzrahmen- und Massivbauelementen realisiert, sondern als zusammenhängender Riegel mit Ortbetondecken. Kalksandsteinwände tragen die Decken und bieten den notwendigen Schallschutz. Porenbetonsteine in einer Stärke von 42,5 cm bilden die nicht tragenden Trennwände. Statisch ist die Konstruktion unabhängig vom Bestand, ein einfacher Rückbau der Wohnungen bleibt gewährleistet. Auch beim technischen Ausbau wurde auf klare Funktionstrennung und Flexibilität geachtet. So kamen für die Bäder TECEprofil-Wände mit Spültechnik und die entsprechenden Waschtischmodule zum Einsatz.
Alle Betonoberflächen der Halle blieben so weit möglich sichtbar und wurden lediglich saniert, geschliffen und lasiert. Die eingestellten Wohnungen heben sich durch eine vorgehängte, als Boden-Deckel-Schalung ausgeführte Lärchenholzfassade deutlich vom Bestand ab. Auch die Fenster sind hochwertig in Holz ausgeführt, ihre Dreifach-Verglasung mit einem Gesamt-U-Wert von 0,80 W/m²K hält den KfW-Standard ein. Das „Haus im Haus“-Konzept hätte idealerweise bedeutet, den baulichen Rahmen der Halle durch das Reparieren der Verglasungen wiederherzustellen und als Witterungsschutz für die eingestellten Boxen zu nutzen.
Eine solche zweischichtige Klimahülle hätte aber für das Energie- und Brandschutzkonzept – ebenso wie für das Thema Reinigung – mehr Fragen aufgeworfen als gelöst. In der realisierten Ausführung wird die Funktion der klimatischen Hülle ausschließlich von der inneren Schicht der Holzfassade übernommen. Die Glasscheiben der großformatigen Hallenfenster wurden nicht wieder eingesetzt. Auch ein aufmerksamer Betrachter realisiert aber erst auf den zweiten Blick, dass die alten Stahlrahmen die räumliche Hülle lediglich optisch schließen. Nur im Foyer, im Prinzip eine Aussparung aus dem eingestellten Volumen, verspringt die Klimahülle nach außen in die ursprüngliche Ebene der alten Fenster. Mit ihrer neuen Einfachverglasung aus VSG in den originalen Stahlrahmen kommt dieser Bereich dem ursprünglichen Aussehen der Halle am nächsten.
Insgesamt bleibt der raue Charakter der Halle erhalten, bereichert durch den Kontrast zwischen dem rohen Beton und den Holzoberflächen der inneren Fassade – der Architekt spricht von der „harten“ Gebäudehülle im Gegensatz zum „weichen“ Kern.
Materialkonzept
Die Architekten konnten ihren Anspruch durchsetzen, so viel wie möglich von der Substanz zu erhalten. So wurden die Stahltore entlang beider Längsseiten in der offenen Position festgeschweißt und lediglich anthrazitfarben lackiert. In dieser Form rhythmisieren sie die Fassaden, begleiten den Übergang von innen nach außen und bilden den Sichtschutz zum Nachbarn. Authentische, unbehandelte Materialien prägen auch die Innenräume. Sichtbar belassene Betonelemente des Bestandes werden durch Estrichböden und schwarze Stahltreppen ergänzt. In Verbindung mit der Geschosshöhe von 3,40 m und den großen Fenstern erzeugt dies eine ungekünstelte, loftartige Atmosphäre. Die Parkettböden in einem Teil der Räume stehen dazu in einem reizvollen Kontrast.
Alle übrigen Flächen sind neutral weiß gestrichen. Auch in den Bädern zeugen großformatige Fliesen, bodenbündig verglaste Duschen und modern gestaltete Keramikelemente vom Wunsch nach einer hochwertigen Ausstattung. Bei der Bemusterung der WC-Betätigungsplatten fiel die eindeutige Wahl des Bauherrn auf die Serie TECEnow in glänzendem Weiß, die mit ihrem präzisen geometrischen Design und der hohen Verarbeitungsqualität überzeugen konnte.
Ausblick
Während die Halle mittlerweile von den Bewohnern bezogen ist, steht die Vervollständigung des städtebaulichen Umfeldes noch aus. So sind westlich der Halle vier Punkthäuser und ein weiterer Riegel im Norden der Parzelle geplant. Davon unbeeindruckt bleibt die Halle neben wenigen verbliebenen Zeilenbauten der wichtigste Zeitzeuge der ehemaligen Nutzung des Areals und ein herausragendes Beispiel für die Umnutzung eines beinahe unmöglichen Objektes.
Architekt
krüger architektur (DE)
www.krueger-architektur.de
Projekte (Auswahl)
2020 Umnutzung Panzerhalle, Landau in der Pfalz
2021 Kernsanierung Villa Eicheneck, Karlsruhe
2022 Sanierung Karlsburg Durlach, Karlsruhe
2022 Neubau Unternehmervilla, Karlsruhe