Careerstep-Magazin 2-13

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Nachgefragt bei... Michèle Roten Sie schreibt für «Das Magazin» sowie diverse deutsche Zeitschriften und ist mit ihren Büchern «Eins bis Sechs» und «Wie Frau sein. Protokoll einer Verwirrung» sehr erfolgreich unterwegs. Gründe genug, Michèle Roten nach Studienweisheiten und Karriererezepten zu fragen. Interview: SIMONE HEUSLER

Careerstep: In welche berufliche Rolle würden Sie gerne mal für eine Woche schlüpfen und warum? Michèle Roten: Ich würde sehr gerne mal in einem Spital oder einer Arztpraxis den ganzen Tag zuschauen. Der gesamte medizinische Bereich interessiert mich extrem. Wenn ich etwas ein bisschen bereue im Leben, ist es, dass ich nicht Medizin studiert habe. Damit hätte ich, glaube ich, auch sehr glücklich werden können.

Wie würden Freunde und Familie beschreiben, was Sie für ein Typ Mensch sind? M. R.: Das ist eine schwierige Frage, ich rede mit ihnen ja relativ selten darüber, wie sie mich beschreiben würden. Von daher kann ich das gar nicht genau sagen. Ich vermute, man hält mich für stur beziehungsweise fokussiert. Wenn ich etwas will, ziehe ich es durch und so. Das wäre so das Bild, das sie von mir haben könnten, was ich wiederum nicht richtig finden und bestreiten würde (lacht).

Was für Erkenntnisse haben Sie aus Ihrem Studium? M. R.: Erschreckend wenig, was sehr schade ist. Aber ich habe ja während meines Studiums nebenher gearbeitet. Mein Fokus lag immer dort und ich habe das Studium eigentlich um die Arbeit herumdrapiert – dementsprechend zog es sich auch ziemlich lange und ich konnte mich nie so richtig hineinknien. Ich habe wenig Leute an der Uni kennengelernt, war relativ selten dort, das Studium blieb eher nebensächlich in meinem Leben. Mein Hauptfach, Germanistik, hat mich allerdings auch nicht besonders glücklich gemacht – das würde ich nicht noch mal studieren. Dafür mein erstes Nebenfach, Soziologie, das würde ich absolut empfehlen. Ich fand es extrem interessant und wichtig und hatte effektiv das Gefühl, etwas für mein Leben gelernt zu haben. Zum Beispiel Studien lesen und verstehen zu können.

Bekannte Kolumnistin und Journalistin, Preisträgerin, erfolgreiche Buchautorin – welche Ihrer Fähigkeiten haben Ihrer Meinung nach am meisten zu Ihrem Erfolg beigetragen? M. R.: Auch wenn das etwas blöd klingt – eine Grundvoraussetzung ist natürlich ein gewisses Talent. Wer zwei linke Hände hat, wird es schwer haben, Herzchirurgin zu werden. Dann ist ein anderer Faktor, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein – ich glaube nicht, dass ich mit dem, was ich mache, vor zwanzig Jahren gut angekommen wäre. Und dazu kommt noch die Tatsache, dass ich die Zeit in meinen frühen 20ern voll ausgekostet habe, ein Alter, wo man wenig Geld braucht, entspannt und flexibel ist und nach dem Motto «irgendwie geht es immer» lebt. Da habe ich auch sehr viel gratis gearbeitet, wenn ich ein Projekt lässig fand und Leute kennenlernen konnte. Ich glaube,

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das war relativ wichtig und hat mir, im Nachhinein betrachtet, geholfen. Karriere und Familie, eines Ihrer grossen Themen, auch in Ihrem letzten Buch «Wie Frau sein». Wie vereinbaren Sie beide Aspekte in Ihrem Leben? M. R.: Das hängt grösstenteils von der Organisation ab. Wenn man einen Mann hat, der voll mitzieht, wenn man eine gute Krippe gefunden hat, die nicht schon um fünf Uhr zumacht, dazu noch Grosseltern, die einspringen können, und solche Sachen, dann läuft vieles von allein. Nur – man hat einfach sehr wenig Zeit für sich selbst. Das ist der Knackpunkt: Man arbeitet, kümmert sich ums Kind und muss aufpassen, dass man selbst dabei nicht vergessen geht. Das Thema müsste also eher «Arbeit und Familie und Ich» heissen. Aber es ist machbar, irgendwie (lacht). Ihre Tipps für den akademischen Nachwuchs? M. R.: Mir fällt auf, dass viele junge Leute ihr Studium fertig haben und meinen, sie müssen jetzt gleich mächtig Geld verdienen. Sie haben so eine extreme Anspruchshaltung. Und dabei kriegen die meisten ja auch noch Unterstützung von den Eltern und sind finanziell wirklich nicht in einer total prekären Lage. Deshalb finde ich, dass man erst mal Bereitschaft zeigen, vielleicht auch mal für wenig Geld arbeiten und sich ausprobieren sollte.


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