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Cotonou zum zweiten – Besuch am Meer

10. September 2014

Vor mehr als 3 Jahren stand ich mitten im Chaos in meinem Logopädiezimmer in Fraubrunnen und bemühte mich, alles Material zu sortieren nach den Kriterien: „gehört der Schule Fraubrunnen, gehört mir, aber bleibt leihweise weiterhin in Fraubrunnen“, „gehört mir und kommt in unser Lysser Lager“, „gehört mir und kommt nach Addis Abeba“. Plötzlich tritt jemand durch die offene Tür und grüsst mich freundlich mit den Worten „Hallo Regula, wie geht’s? Ja gell, das Umziehen macht sehr viel Arbeit!“ Es war Simon Z., Arbeitskollege von Manuel in Ausserholligen und Vater von Tamara und Marcel, welchen ich im Schulhaus immer wieder begegnet war, seit sie aus Nicaragua nach Fraubrunnen gezogen waren. Auch ihre Mutter Karin hatte ich vor längerer Zeit kennengelernt.

Dass wir gleichzeitig von Fraubrunnen und seinem schönen Schulhaus Abschied nahmen, gab uns ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Sie zogen nach Cotonou, der Hauptstadt von Benin und wir zogen nach Addis Abeba. So verabschiedeten wir uns denn auch mit dem „Versprechen“, uns gegenseitig zu besuchen in unsern neuen Gastländern.

 Besuch am Meer

Cotonou Strand Regula

Nun war es endlich soweit, Manuel’s Teilnahme an der Konferenz zum Biolandbau machte es möglich, gleichzeitig unsere Freunde zu besuchen. Den ganzen regnerischen und kühlen Sommer über freuten wir uns auf diesen Besuch am Meer.

Wir logierten in unmittelbarer Nähe der Familie Z., im „Maison Rouge“, einem Ort der Ruhe, in einer in sich geschlossenen Siedlung mit mediterraner Architektur. Gebaut wurde sie als Joint Venture von Ghaddaffi und Berlusconi.

 

P1030743 - KopieCotonou quartier

 

 

 

 

 

Die Familie empfing uns mit einem helvetischen Züpfeznacht. So vieles gab es zu erzählen und zu zeigen, so vieles war passiert, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Während der ganzen Woche durften wir ihre Gastfreundschaft geniessen, bei ihnen zuhause oder unterwegs beim Entdecken von Cotonou und Umgebung.

Nachdem Manuel sich jeweils morgens auf den Weg zur Konferenz gemacht hatte, spazierte ich zu Karin und den Kindern. Ihren Alltag zu teilen war für mich hochinteressant: wie sieht das Leben von schweizerischen Coopérants in Cotonou aus? Was ist ähnlich wie in Addis, was anders? wo kaufen sie was ein, wie und wo gehen die Kinder zur Schule, was machen sie in ihrer Freizeit, wer sind ihre Freunde, wie bewegen sie sich in dieser Stadt mit einer Million Einwohnern? Am ersten Morgen ging’s ins Einkaufszentrum – deutlich höherer Standard als in Addis, ein Super-U aus Frankreich – und zum Gemüsehändler, dann gleich weiter zur Verkäuferin von Kunsthandwerk und ihren selbstgemachten Ketten. Und dies alles zu Fuss! Welche Freude. Es störte überhaupt nicht, dass es auch hier regnete, wie schon in der Schweiz und auch in Addis, denn im Gegensatz zu diesen Orten war es immer noch herrlich warm. Am Nachmittag zeigten mir Karin und die Kinder den Strand beim „Hotel Marina“, der sozusagen um ihre Hausecke liegt.

Hier gibt’s auch einen Swimmingpool,. den die Familie als ihre „Badi“ benutzt. Schwimmen darf man nämlich an diesem Strand nicht, die Strömung vor der Küste ist zu gefährlich und die Wellen sind sehr hoch. Nur bis zur ersten Welle kann man das Meer geniessen.

Weil es immer noch regnete, gaben wir uns mit einem Zvieri –französische crepes und feine Fruchtsäfte – zufrieden.

Hingegen nutzte ich den im Zen-Stil designten Swimmingpool unseres Hotels frühmorgens und spätabends!

Cotonou quartier pool

In den folgenden Tagen zeigte mir Karin als perfekte Gastgeberin alles, was ich von Cotonou zu sehen wünschte und noch viel mehr: zu Fuss machten wir uns auf zur Schule von Marcel und Tamara, zu den Möbelschreinern und zu den Sandalenherstellern; zu Fuss gingen wir auch in das berühmte Quartier „Haie vive“, wo wir den Gemüse- und Früchtemarkt, die farbigen Batikkleider und die schön gefertigten Bambusmöbel bewunderten, im Kunsthandwerksladen nach Glasperlenketten aus Ghana und Benin suchten und den Tuaregschmuck links liegen liessen. Am Morgen hatte es heftig geregnet und wie in Addis gab es riesige Seen auf der Strasse.

Cotonou Strasse unter Wasser

Trotzdem wirkten diese Strassen sauberer auf mich, vielleicht weil die Quartierstrassen hier aus Sandpisten und nicht aus Erdstrassen gemischt mit Steinen bestehen und auch, weil in diesem Stadtteil viel weniger Leute sozusagen auf der Strasse leben.

Ich war auch sehr beeindruckt von der Gastfreundschaft von Karins Freundinnen. Beim Spaziergang durch Haie Vive sahen wir Simons Kollegin vom Dezabüro und ihre Familie im Garten, frisch zurück aus ihrem Urlaub. Karin grüsste sie und wünschte – wie es die Béninois machen – „bonne arrivée“, da lud uns Sévèrine spontan auf ihre schöne Terrasse ein, um etwas zu trinken und in aller Ruhe hallo zu sagen. Die Künstlerin Anna Kurtycz lud uns ein, um mir ihr Atelier samt ihren Kunstwerken zu zeigen und von ihrer Berufung zu erzählen, mit den wenig Privilegierten Kunst zu schaffen an den Orten , wo sie leben (Studio Kurtycz).

Wir besuchten auch den „Club des Nations“, die Freizeitanlage, wo Tamara voltigieren lernt und wo Marcel und Simon Tennis spielen.

Cotonou Tamara auf PferdCotonou Tamara

 

 

 

 

 

 

Wir waren aber nicht nur zu Fuss unterwegs.

Auch das Hafenquartier samt Hotel du Lac, wo die Konferenz zum biologischen Landbau stattfand, besuchten wir. Höhepunkt unserer Frauenausflüge war die Fahrt entlang der „route des pecheurs“, wo wir irgendwo stoppten, um den Strand zu geniessen. Die Sonne schien und der endlose Sandstrand mit den Fischerhütten aus Palmblättern in seiner Ursprünglichkeit und all der frischen Meerluft waren ein Spezialgeburtstagsgeschenk für mich.

Cotonou turnen am Strand

Der Strassenverkehr in Cotonou und in Addis hat viel Gemeinsames, kreuz- und querfahren ist Praxis. Speziell am Verkehr in Cotonou sind die „Töffs“. Tausende fahren im Pulk und schlängeln sich zwischen den Autos durch. Busse und Taxis gibt es praktisch keine, die gelb gekleideten Töfffahrer bringen Dich rasch und ev. sicher ans gewünschte Ziel.

Cotonou Töff Taxi

Eine Fahrt durch die Stadt in bulligen, klimatisierten Mitsubishis oder Toyotas bringt Dich vorbei an unzähligen kleinen Marktständen, viele davon verkaufen nigerianisches Benzin in grossen Flaschen.Viel Ware tragen die Frauen auf ihren Köpfen.

Cotonou Strassenszene

Das Leben auf den Strassen geht weit in die Nacht hinein, die warmen Temperaturen erlauben ein Leben draussen, an der oft meerfrischen Luft.
Am freien Samstag lud uns Simon zu einer Fahrt auf der Sandpiste entlang des Palmenstrandes ein. In einfachen Hütten leben Fischerfamilien.

Cotonou Strandstrasse

Mit ihren stabilen Plankenbooten legen sie die langen Netze auf dem bewegten Meer aus.

20140828_181854 - Kopie

Diese werden später mit langen Seilen vom Land ans Ufer gezogen. Den Fang verkaufen sie vor Ort oder bringen die Fische auf einen lokalen Markt.

Nach einer guten Stunde erreichten wir Ouida, …

Cotonou porte non retour…„la porte du non-retour“ für die Sklavinnen und Sklaven, die noch im 19. Jahrhundert zu Zehntausenden gezwungen wurden, ihre Heimat für immer zu verlassen.

Cotonou porte non retour 6

Das Monument dient der Erinnerung aber auch der Versöhnung und steht für die Rückkehr der Deportierten im Geist.

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Auf dem weiteren Weg kreuzten wir die transafrikanische Verbindungsstrasse, die der westafrikanischen Küste entlang führt und Städte wie Douala, Lagos, Cotonou, Lomé und Abidjan miteinander verbindet.

Cotonou Transnationale Strasse

Auf dieser wälzen sich riesige Lastwagen durch einen Morastweg. Die Verbindungen in Afrika bleiben prekär und es wird einmal mehr verständlich, warum viele Wege Umwege sind, zum Beispiel via Paris.

Cotonou liegt am Rande einer grossen Lagune, mit je nach Jahreszeit mehr oder weniger salzhaltigem Wasser. 35000 Menschen leben in dieser Lagune in Dörfern auf Pfählen. Ganvié, wie diese Siedlung heisst, ist das Venedig Westafrikas.

Cotonou Ganvié

Schon die kleinen Kinder paddeln in ihren schmalen Einbaumbooten geschickt zwischen den Häusern und Booten hindurch und vorbei an den um sich greifenden, knallgrünen Hyazinthenteppichen.

Cotonou Ganvié 2

Im Lichte der untergehenden Sonne kehren die Fischersfrauen vom lokalen Markt am Ufer der Lagune in die Dörfer zurück.

Cotonou Marktfrauen Ganvié

Viele paddeln, einige fahren mit Hilfe eines kleinen Motors, wieder andere lassen sich von den prallen Segeln über das ruhige Wasser ziehen.

Cotonou Ganvié Segelboot

Direkt am Strand, kaum eine halbe Stunde Autofahrt von Cotonou entfernt, haben eine Beninoise und ein Schweizer den „jardin hélvetique“ aufgebaut. Im grossen „paillotte“ hängen noch die Kantonsfahnen vom 1. August.

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Dorthin fahren wir am Sonntag zusammen mit wohl der halben CH-Kolonie von Cotonou. Direkt aus der neuen Fischfarm können wir frischen Fisch geniessen, filetiert, ganz oder auf „brochettes“ aufgespiesst. Dazu gibt es Reis, Aloko, Frites, Bohnen oder auch eine ganz gewöhnliche Käserösti. Auch hier tönt’s Welsch und Berndeutsch!

Cotonou Strand Paillotte

Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Familie Z., in Addis oder in Iffwil, wohin sie nächsten Sommer ziehen werden. Und wir sagen nochmals herzlichen Dank für die grosse Gastfreundschaft.

Cotonou Karin

 

 

 

 

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